Kia EV6 GT Praxistest: Der Teilchen-Beschleuniger

Bereits seit zwei Jahren ist der Kia EV6 als Blickfänger im Straßenbild nicht mehr wegzudenken. 2022 wurde er zum Car of the Year gekürt und bereits beim ersten Intensivtest konnte der Vollzeit-Stromer mit dynamischem Design und einem erstklassigen Gesamtpaket punkten. Damals fuhren wir die Allradversion mit einer Systemleistung mit 325 PS und 605 Nm.
Nun nehmen wir in der Topversion mit knapp 600 PS (exakt 585 PS und 740 Nm) Systemleistung Platz und spielen in der obersten Liga gegen Audi und Porsche, das hätte sich vor einigen Jahren noch niemand gedacht. Immerhin hat sich die Marke in den letzten Jahren derart gemausert, dass es für die Konkurrenz ganz schön knifflig wird. Großen Applaus gibt es für die breite Antriebspalette, die der Kundschaft noch immer die freie Wahl lässt.

Exterieur: Nicht nur bei Nacht ein Blickfänger

Wer hätte sich gedacht, dass Kia den EV6 in dieser Art und Weise in Serie fertigt und neben zahlreichen weichgespülten Designs der Vollzeit-Stromer mit solch scharfen Linien die Blicke auf sich zieht. „Schöner Porsche“ – „danke der Herr – aber des is a Kia“. Kurze Stille, weitere Stille, Verschnaufpause. Aber keine Sorge, denn der Herr mittleren Alters war nicht der Einzige, der den EV6 GT zur falschen Marke zugeordnet hat.
Aber kehren wir nochmals zurück zum Design. Der EV6 sorgt in der GT-Version mit den 21-Zoll Rädern und den dahinter hervorstechenden Bremssätteln für eine große Show – Kenner werden die Topversion sofort erkennen.
Aber man muss sich schon mit der Materie beschäftigen, um die Topversion im Stand genauer zu identifizieren, ohne dass man auf die Plakette am Heck einen Blick wirft. Immerhin steht der EV6 bereits in der „Basis-Version“ äußerst muskulös und dynamisch da.

Das wohl größte Highlight bietet neben der scharfen Heckkante das darunter platzierte Leuchtband, welches speziell bei nächtlichen Ausfahrten sofort ins Auge sticht.
Etwas verwundert waren wir über die Position des Steckeranschlusses, denn dieser ist rechts am Heck erstklassig in das stilvolle Design integriert und wird in unserem Fall erst bei der Entriegelung des Deckels gefunden.

Interieur: Der Maßanzug für den Alltag

Der Einstieg gelingt schlüssellos, dann fahren einem die ausfahrbaren Türschnallen entgegen, um das sportliche Cockpit in Empfang zu nehmen. Klar, die grünen Details stechen neben den Schalensitzen sofort ins Auge.
Ebenso erwähnenswert ist die Ergonomie des EV6 GT Cockpit, da hier nahezu alle Bedienelemente fahrerorientiert ausgerichtet sind. Dies merkt man auch bei den beiden, digitalen Instrumenten, die wie bereits erwähnt den Fahrer mit den nötigsten Infos versorgen. Dennoch setzt man nicht ausschließlich auf Touch, womit beispielweise die Klimaeinheit noch über Drehregler am unten platzierten Touchslider simple zu bedienen ist. An die Slider Funktion gewöhnt man sich nach ein paar Ausfahrten, denn hier kann man auch andere Befehle navigieren.

Apropos Schalensitze: Hier wird man klarerweise von erstklassigem Seitenhalt beim Kurvenräubern verwöhnt, dennoch bieten die Sporthocker auch reichlich Restkomfort, sodass man sich selbst auf längeren Etappen keinesfalls eingeengt fühlen muss.

Die Kopf- und Beinfreiheit fällt in beiden Reihen äußerst großzügig aus und auch das Kofferraumvolumen mit 480 Liter in der Basis und 1.260 Liter bei umgeklappter Rückenlehne der zweiten Reihe, lässt selbst bei Großeinkäufen oder Urlaubsfahrten keinen Zweifel am geräumigen Konzept aufkommen.

Fahrverhalten und Laden: Eine unschlagbare Mischung!

Klar, die knapp 600 PS Systemleistung gepaart mit Allradantrieb lassen selbst Verbrenner PS-Asse mit selbiger Leistung zumindest kurze Zeit ziemlich schwitzen. Immerhin beschleunigt der EV6 GT in nur 3,5 Sekunden auf Tempo einhundert. Die V-Max gibt der Hersteller mit 260 Sachen an.
Natürlich wäre es möglich, dass man den EV6 GT bei unseren Nachbarn auf freier Piste auf dieses Tempo beschleunigt, aber viel mehr Spaß bereiten Ampelstarts oder unerwartete Zwischensprints in denen dir der EV6 GT eine ins „Kreuz“ prescht, dass alles zu spät ist.
Zwischen den einzelnen Modi spürt man dann nochmals einen deutlichen Unterschied, wobei selbst der Standard-Modus für Fahrleistungen der Königsklasse sorgt. Aber selbstverständlich muss man auch mal den GT-Modus testen, wobei hier das ESP komplett deaktiviert wird – hier merkt man nochmals einen deutlichen Unterschied zum ohnehin kräftigen Sportmodus, der mit den 255er Pneus trotz Allrad ordentlich am Asphalt umrührt, um die passende Traktion zu finden.
Nicht nur bei der Beschleunigung aus dem Stand sorgt der EV6 GT für großen Fahrspaß – er überrascht auch bei engen Kehren und einem unglaublichen Traktionslevel, welches wir uns in so manchen Verbrenner-Modellen mit selbiger Leistung nur wünschen würden.
Großes Lob geht auch an die erstklassige Rekuperation, welche mittels der Schaltpaddles auf das jeweilige Bedürfnis des Piloten abgestimmt werden kann.

Im kombinierten Verfahren waren wir mit 22,5 kWh pro 100 Kilometer unterwegs, womit rund 300-310 Kilometer bei 10 Prozent restlicher Akkukapazität möglich sind. Wobei man natürlich erwähnen muss, dass wir bei hohen Sommertemperaturen unterwegs waren.
Die maximale Praxisreichweite schreckte uns keinesfalls ab, da der EV6 klarerweise auch als GT-Version über die 800 Volt Technologie (wie Porsche Taycan, Audi e-tron, Hyundai IONIQ 5 und 6) verfügt.
Gerade mal 18 Minuten vergehen um den EV6 GT von 10 auf 80 Prozent zu laden, da kommt selbst die Kaffeepause etwas kurz, sofern man einen freien Schnell-Ladepunkt erobert, diese sollten rasch flächendeckend ausgebaut werden.
Darüber hinaus spielt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis eine entscheidende Rolle, denn bei der Konkurrenz bewegt man sich gerne mal in den sechsstelligen Bereich – damit ist es aber noch nicht getan, denn die zahlreichen Extras sprengen das Budget ziemlich rasch. Beim EV6 GT steht lediglich das elektrische Hub- und Glasschiebedach und die Lackierung in der Optionsliste.

Was uns gefällt:

  • Die hohe Alltagstauglichkeit trotz hoher Performance
  • Die Gesichtsausdrücke der Passagiere bei einem Launch Control Start
  • Die Ladegeschwindigkeit dank 800 Volt
  • Die großzügigen Raumverhältnisse
  • Das Preis-Leistungs-Verhältnis

Was wir noch verbessern würden:

  • Die Schnellade-Infrastruktur erweitern

Factbox: Kia EV6 GT

Motor/Antrieb

Motor: 2 Synchron-Elektromotoren vorne + hinten (218 / 367 PS)
(System)Leistung kW/PS: 430 kW/ 585 PS
Drehmoment: 740 Nm
Antrieb: Allrad
Getriebeart: einstufiges Getriebe
0-100 km/h: 3,5 Sekunden
V-Max: 260 km/h
Elektrische Speicherkapazität in Kilowattstunden: 77,4 (netto)

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert: 20,6 kWh/ 100 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt: 22,5 kWh/ 100 km
Reichweite nach WLTP: 424 km

Ladedauer (Herstellerangaben)

Wallbox, 11 kW: ca. 7:20 Stunden (10 bis 100 %)
Gleichstrom-Schnelllader (10-80%): 18 Minuten (bei 240 kW)

Reifen/Felgen/Bremsen

Bremsen: VA+HA: Belüftete Scheibenbremsen
Felgen/Reifen: 255/40 R 21 Y

Gewicht und Maße

Leergewicht: 2.200 kg
L/B/H: 4,695/1,890/1,545 m
Radstand: 2,900 m
Kofferraumvolumen: 480-1.260 Liter

Preise

Kia EV6 GT zu haben ab: € 75.390
Preis Testwagen inkl. MWSt: € 77.590

Sonderausstattung:

Glasschiebe-/Hubdach, elektrisch € 1.500,-
Lackierung € 700,-

(c) Bilder: Sebastian Poppe