Es war bestimmt keine leichte Aufgabe, dass man mit der Wiener Austria gleich drei österreichische Meister Titel feiern durfte, aber Toni Polster ist dieser Erfolg gelungen. Dem Zufallsprinzip überlassen, klingen die beiden Legenden nahezu ident, wobei wir dies keinesfalls dem Zufall überlassen, denn auch der Polestar 2 gilt nach unserer 14-tägigen Testfahrt als Legende.
Man muss sich eben zur richtigen Zeit einen Namen am Markt machen, sodass den Erfolgen eben nichts mehr im Weg steht. Bisher hat man die Bezeichnung ausschließlich bei den sportlichsten Volvo-Modellen gelesen. Nun will die Tochterfirma von Volvo und Geely eigene Modelle auf den Markt bringen und zwar ausschließlich Elektrofahrzeuge mit dementsprechender Performance.
Fahrverhalten und Reichweite in der Praxis
Das 4,61 Meter lange Modell bringt 2.113 Kilogramm auf die Waage, sofern man die stärkste Version mit zwei Elektromotoren (204 PS je Achse) wählt. Die Kräfte werden an alle vier Räder weitergeleitet, sodass der 100er Sprint aus dem Stand in nur 4,7 Sekunden gelingt. Hier werden eben nicht nur 408 PS sondern auch 660 Nm an alle Viere losgelassen, sodass man dem Polestar mit höchstem Respekt gegenüber steht und stoßstangenklebende Verkehrsteilnehmer in Kürze los wird.
Natürlich ist Performance ein sehr wichtiger Part, den viele Kunden gerade beim Umstieg auf ihr erstes Elektromodell nicht missen wollen. Dann gesellt sich aber auch der Faktor Reichweite hinzu, der bei reinelektrischen Fahrzeugen von mehreren Faktoren abhängt. Immerhin gibt der Hersteller bis zu 480 Kilometer Reichweite laut WLTP an. Bei einer Netto-Kapazität von 75 kWh.
Gerade noch….
Diesen Wert mussten wir natürlich überprüfen, sodass wir mit dem Polestar 2 nach Steyr gependelt sind. Wohlgemerkt mit maximal 120 km/h im fein abgestimmten, adaptiven Tempomat bei winterlichen Temperaturen, sodass wir nach 190 Kilometer mit einer Restreichweite von 90 Kilometer gerade noch den letzten der fünf IONITY Säulen erwischt haben. Nach knapp einer Stunde und einem guten Mittagessen konnte die Fahrt mit ca. 90 Prozent Akku-Kapazität fortgesetzt werden, maximal kann mit 155 kW geladen werden. Nach einer Fahrzeugbesichtigung einige Kilometer entfernt, machten wir uns auch schon wieder auf den Heimweg, jedoch mit deutlich mehr Gegenwind, sodass wir mit einer Reichweite von null Prozent ankommen würden. Doch auch dieser Wert schreckte uns nicht ab, sodass wir die Heimreise ohne Ladestopp angetreten sind. Und tatsächlich konnten wir den angegeben Wert toppen, sodass wir mit sieben Prozent am Ziel angekommen sind. Ob man mit einem Performance-Modell tatsächlich mit maximal 120 km/h herumzuckeln mag, das bleibt wohl jedem selbst überlassen. Die Verbrauchswerte bei maximaler Höchstgeschwindigkeit bzw. ein paar km/h mehr wirken sich eben enorm auf den durchschnittlichen Verbrauch aus.
Interieur: Erstklassiges Infotainment, dennoch kuscheliges Raumgefühl
Deutlich überraschter hat uns das Interieur des chinesischen Schweden, denn oftmals wird über Touchdisplays gemeckert, da diese sehr oft vom Verkehrsgeschehen ablenken und nicht gerade sehr intuitiv wirken.
Dieses Problem haben die Techniker von Polestar unglaublich clever gelöst, denn trotz der Touch-Oberfläche sind die Funktionen sehr clever und intuitiv über das 11,5-Zoll Display im Hochformat zu steuern. Der Oberhammer ist natürlich, dass für die Navigation Google Maps verantwortlich ist und bei zu geringer Reichweite sogar Ladestationen in der Nähe vorschlägt und somit das Lademanagement deutlich erleichtert wird.
Mittels der optionalen (im Plus Paket integrierten) Harman Kardon Soundanalge mit 600 Watt verwandelt man den Polestar 2 aus einem stillen Örtchen in eine fahrende Diskothek.
Schade finden wir, dass man trotz optionalen Paketen auf ein Head-up-Display verzichten muss. Hier liefert aber das 12,3-Zoll Display hinter dem Sportvolant Abhilfe, zumindest wenn man davor schon einige Volvo-Modelle getestet hat.
Der einzige Kritikpunkt betrifft das dann doch sehr kuschelige Raumgefühl, welches besonders im Fond deutlich spürbar wird. Wir würden auch das optionale Pilot Paket empfehlen, denn mit der gestochen scharfen 360 Grad Kamera besiegt man die schlechte Übersichtlichkeit.
Exterieur: Der Blickfänger in Gold
Aufgrund des ausgewählten Performance Paket sticht der Polestar 2 gleich doppelt ins Auge. Hinter den 20-Zoll-Leichtmetallfelgen glänzt die 4-Kolben Aluminium Bremsanlage von Brembo hervor. Auch die Ventilkappen und die Sicherheitsgurte wurden in dieser Kontrastfarbe verziert. Darüber hinaus verfügt man über Öhlins Stoßdämpfer, die besonders die Performance in engen Kehren nochmals deutlich verbessern.
Fazit:
Der Polestar 2 zählt ganz klar zu den derzeit interessantesten, reinelektrischen Modellen. Abzüge gibt es für den hohen Verbrauch, die etwas eingeschränkten Platzverhältnisse und den dann doch recht hohen Preis im Vergleich zur Konkurrenz. Die Meistertitel werden sicher erreicht, es ist nur eine Frage der Zeit.
Was uns gefällt:
Die erstklassige Performance
Der Blickfang dank Performance Paket
Das sehr intuitiv abgestimmte Infotainmentsystem
Was wir noch verbessern würden:
Die dann doch recht engen Abmessungen im Innenraum
Den hohen Verbrauch speziell auf Autobahn-Etappen
Die Preispolitik der optionalen Pakete
Factbox: Polestar 2 Long Range Dual Motor
Motor/Antrieb
Motor: zwei Elektromotoren, Batteriekapazität 78 kWh (netto 75 kWh)
Leistung kW/PS: 300 kW/ 408 PS
Drehmoment: 660 Nm
Antrieb: Allrad
0-100 km/h: 4,7 Sekunden
V-Max: 205 km/h
Verbrauch/Umwelt
Werksangabe – kombiniert: 19,4 kWh/100 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt: 28,3 kWh/100 km
Reichweite nach WLTP: bis zu 480 km
Reichweite im Test: rund 265 km (winterliche Temperaturen)
Ladedauer
Wallbox (AC), 3-phasig: ca. 8 Stunden
Öffentliche Ladestation: ca. 35 Min. (10-80%) bei ca. 150 kW
Bremsen/Felgen/Reifen
Bremsen: VA: Scheibenbremsen, gelocht HA: Scheibenbremsen
Felgen/Reifen: 245/40 R20
Gewicht und Maße
Leergewicht: 2.113 kg
L/B/H: 4,606 m / 1,985 m / 1,473 m
Radstand: 2,735 m
Kofferraumvolumen: 405-1.095 Liter plus 35 Liter Frunk
Preise
Polestar 2 zu haben ab: € 44.900,-
Polestar 2 Long Range Dual Motor zu haben ab: € 50.900
Preis des Testfahrzeugs: € 64.900,-
Sonderausstattung:
Plus Paket € 4.500
Pilot Paket € 3.500
Performance-Paket € 6.000
(c) Bilder: Sebastian Poppe