Praxistest: Toyota Camry – Auferstanden wie Phönix aus der Asche

Die jüngste Generation der Autofahrer fängt mit der Modellbezeichnung des Toyota „Camry“ wohl nicht allzu viel an – kein Wunder, denn den Toyota Camry gab es rund 16 Jahre lang nicht mehr neu zugelassen auf europäischen Straßen zu sehen. Nach Jahren der Abstinenz wagt Toyota nun aber den Neustart in Europa, wobei die Nippon-Limousine in die Fußstapfen des mittlerweile eingestellten Toyota Avensis treten möchte. Dazu bestücken die Japaner den Camry mit einer umfangreichen Ausstattung, einem effizienten Hybridantrieb und einem angemessenen Preis-Leistungsverhältnis. Wir durften der Top Ausstattungslinie „Lounge“ einen ausgiebigen Test unterziehen und uns von den Vorzügen des Avensis Nachfolgers überzeugen.

Im Auftritt braucht der Camry Platz

Dass der Toyota Camry ein internationales Modell ist, lässt sich anhand der Außenmaße sehr gut nachvollziehen. Denn mit einer Außenlänge von knapp 4,9 Meter und einer Breite von 1,8 Meter fügt sich der Camry gut ins amerikanische Straßenbild ein. Alleine das breite Heck und die Form der Rückleuchten erinnern stark an amerikanische Limousinen. Kein Wunder also, dass der Camry dort nach wie vor ein beliebtes Modell ist. Wer schon mal seinen Urlaub in Dubai verbracht hat dem wird auch aufgefallen sein, dass der Camry dort ein beliebtes Auto unter Taxifahrern ist. Internationale Beziehungen kann der Camry also ganz gut knüpfen.
Das Design selbst wirkt eher etwas bieder, große Aufmerksamkeit erregt man damit also eher nicht. Das will der Camry aber auch nicht, sondern er legt eher Wert auf einen souveränen Auftritt. Als Avensis Nachfolger hat der Camry bei uns aber ein großes Manko, denn als Kombi ist er nicht erhältlich, sondern ausschließlich als Stufenheck Limousine. Das ist aber halb so schlimm, denn Kombifahrer können hier auf den neuen Corolla Touring Sports ausweichen.
Dass es sich beim Camry um einen Toyota handelt, lässt sich an der markentypischen geschwungenen Gestaltung der Frontschürze erkennen, die ihm noch etwas mehr Breite verleiht. Die Scheinwerfer und die etwas klein gestalteten Nebelleuchten verfügen über moderne LED-Technologie, die in der Nacht für mehr als ausreichend Beleuchtung sorgen.

Im Innenraum wird die Nähe zu Lexus recht deutlich

Passend zum souveränen Blechkleid präsentiert sich auch der Innenraum. Hier überzeugt die Materialwahl und hervorragende Verarbeitungsqualität. Kunstleder und Softtouch geben sich hier die Klinke in die Hand, da sieht man gerne über die ein oder andere Hartplastikstelle hinweg.

Vom bequemen Ledersitz aus lässt sich das 8-Zoll große Infotainmentsystem bedienen, das ruhig noch eine Spur größer sein könnte – denn in der Mittelkonsole wirkt es etwas verloren. Die Technologie wirkt eine Spur veraltert und auch die Bedienung ist leider nicht sehr intuitiv. Sobald man den Dreh raus hat, kann man sich aber neben Radio, Navi und Bluetooth an dem detaillierten Energiemonitor erfreuen, der den neugierigen Fahrer über dessen effizienten Fahrstil und Sprit- bzw. Stromverbrauch informiert.

Ab Werk ist der Camry mit einer umfassenden Ausstattung von Assistenzsystemen bestückt. Neben dem Toten-Winkel-Assistent zählt auch „Toyota Safety Sense“ dazu, welches ein ganzes Paket von Assistenten zusammenbündelt. Dazu gehören ein adaptiver Tempomat inkl. Notbremsassistent, ein Spurwechselwarner, ein Fernlichtassistent und eine Verkehrszeichenerkennung. Leider hatte ich mit dem Notbremsassistenten meine liebe Not. Denn mehr als einmal kam es vor, dass der Camry während der Fahrt aus heiterem Himmel stark abbremste – der Grund war meistens ein am Straßenrand abgestelltes Fahrzeug, welches das System als Hindernis erkannt hat. Bei engeren Seitengassen hätte ich noch eher Verständnis dafür aufbringen können, nur passierte mir das in Kombination mit dem adaptiven Tempomaten auch auf breiten Straßen. Von diesem Manko abgesehen kann man mit dem Gesamtpaket jedoch mehr als zufrieden sein. Das trifft auch auf das Platzangebot im gesamten Wagen zu. Fahrer und Beifahrer verfügen mehr als ausreichend Platz – selbst als Fondpassagier nimmt man hinten gerne Platz und genießt bei ausreichend Beinfreiheit die Fahrt.

Auch für genug Stauraum ist gesorgt, dazu reicht ein Blick unter die Mittelarmauflage. Für das Smartphone gibt es eine induktive Ladestation, die sich verschieben lässt. Das hat auch einen funktionalen Hintergrund, denn unter der Ladestation befindet sich ein weiteres Ablagefach. Leider konnte ich die Ladestation nie richtig nutzen, da mein Smartphone einfach nicht laden wollte – woran das lag konnte ich bis zum Ende der Testphase leider nicht herausfinden.

Der Kofferraum ist für eine Stufenheck Limousine sehr praktisch zu beladen, auch Platz gibt es bei einem Ladevolumen von 524 Liter ausreichend. Im Bedarfsfall lassen sich auch die Rücksitze umlegen, wobei aufgrund der Karosserieform die Öffnung zwischen Rückbank und Kofferraum relativ klein ausfällt.

Ein Prius auf Steroiden?

Toyota ist bekanntlich ein Pionier des Hybridantriebs, dabei denkt man unweigerlich an das Erfolgsmodell Toyota Prius. Naheliegend also, dass der Toyota Camry bei uns ausschließlich als Hybridantrieb erhältlich ist – im Vergleich zum Prius ist der aber etwas mächtiger motorisiert.
Angetrieben wird der Toyota Camry nämlich von einem großvolumigen 2,5-Liter Saugbenziner und einem Elektromotor. Der Ottomotor leistet bereits beachtliche 178 PS, in Kombination mit den 120 PS des Elektromotors ergibt sich eine recht ansehnliche Systemleistung von 218 PS.
Mehr braucht der Camry auch gar nicht, denn damit beherrscht er sowohl entspanntes Gleiten, als auch eine etwas flottere Fahrweise. Da es sich um kein Plug-in-Hybridsystem handelt, übernimmt der Benzinmotor den Ladevorgang während der Fahrt. Wenn die Batterie geladen wird, schlägt sich das natürlich im momentanen Spritverbrauch nieder, der dann um einiges höher ist. Sobald die Batterie aber mit ausreichend Strom versorgt wurde, zeigt sich der Camry von seiner dankbaren Seite, da bei entspannter Fahrweise ein Verbrauch von weit unter fünf Liter durchaus realistisch ist.
Im Durchschnitt lag mein Spritverbrauch mit rund 5,9 Liter um einiges höher, das war aber eher der Fahrweise und den vielen kurvigen Landstraßenfahrten geschuldet. In Anbetracht der Leistung ist das dennoch ein respektabler Wert. Man kann sich auch mit den diversen Fahrmodi behelfen, um den Spritverbrauch gering zu halten. Im urbanen Stop-and-Go Verkehr leistet der EV-Fahrmodus optimale Arbeit, da der Camry dann rein elektrisch angetrieben wird. Wer es liebt über Landstraßen zu gleiten ist mit dem Eco Modus bestens bedient, da hier die Motorbremse deutlich weniger zum Tragen kommt. Im Sportmodus zeigt der Camry dann eindrucksvoll, dass er auch anders kann. Die Gasannahme erfolgt deutlich direkter und gefühlt leistet er um ein paar PS mehr.
Für den idealen Mix werden die meisten Fahrer wohl auf den Fahrmodus „Normal“ zurückgreifen, der den Spagat aus Leistung und Sparsamkeit gut beherrscht.

Abhängig von der jeweiligen Fahrsituation wechselt das Hybridsystem automatisch zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor – wobei man dies nur auf dem Display erkennt und davon nichts mitbekommt. Das stufenlose E-CVT Getriebe lässt den Saugbenziner hie und da ein wenig rau erklingen, arbeitet ansonsten aber tadellos. Der früher oft kritisierte Gummiband-Effekt konnte schon beinahe zur Gänze eliminiert werden.

Der Camry als besserer Lexus?

Abschließend möchte ich einen kleinen Vergleich zum baugleichen Lexus ES nicht unerwähnt lassen, den wir ebenfalls bereits testen durften.
Sowohl der Toyota Camry als auch der Lexus ES verfügen über dieselbe Motorisierung. Beide wiegen in etwa gleich viel, man würde dem Camry aber deutlich weniger Hüftspeck zutrauen, da sich dieser spürbar agiler bewegen lässt. Bei der Verarbeitungsqualität im Innenraum schneidet der Lexus nur minimal besser als der Toyota ab. Wer also weniger Wert auf Prestige legt, kann statt dem Lexus ES ohne Probleme auch auf den billigeren Toyota Camry zurückgreifen.

Was mich begeistert:

  • Der harmonisch abgestimmte Hybridantrieb
  • Umfassende Sonderausstattung ab Werk
  • Das Preis-/Leistungsverhältnis

Was ich mir noch wünschen würde:

  • Einen Notbremsassistenten der weniger parkende Autos erkennt
  • Ein moderneres Infotainmentsystem mit verbesserter Bedienung

Factbox: Toyota Camry 2,5 Hybrid Limousine Lounge

Motor/Antrieb

Motor: 4-Zylinder Ottomotor
Hubraum:  2.487 ccm
Benzin-Aggregat: Leistung kW/PS: 131 kW / 178 PS
Elektro-Aggregat: Leistung kW/PS:  88 kW/ 120 PS
Systemleistung kW/PS: 160 kW/ 218 PS
Drehmoment Benzin-Aggregat: 221 Nm zwischen 3.600 U/min und 5.200 U/min
Drehmoment Elektro-Aggregat: 202 Nm
Antrieb: Front
Getriebeart: kontinuierliches variables Getriebe (E-CVT)
0-100 km/h: 8,3 Sekunden
V-Max: 180 km/h

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert: 5,5 l/100 km (gemäß WLTP)
Gas-Junky-Test – Durchschnitt: 5,9 l/100 km
CO2 Emissionen/Abgasnorm:  125 g/km / Euro 6d-TEMP-EVAP-ISC

Bremsen/Felgen/Reifen

Bremsen: VA: Scheibenbremsen innenbelüftet HA: Scheibenbremsen
Felgen/Reifen: 235/45 R18 94Y

Gewicht und Maße

Leergewicht:  1.660 kg
L/B/H : 4,885 m / 1,840 m / 1,445 m
Radstand:  2,825 m
Kofferraumvolumen: 524 Liter
Tankinhalt:  50 Liter
Kraftstoff: Super

Preise

Toyota Camry 2,5 Hybrid Business erhältlich ab: € 39.790,-
Toyota Camry 2,5 Hybrid Lounge zu haben ab: € 42.390,-
Preis Testfahrzeug inkl. (2%) NoVA und MWSt: € 43.122,-

Sonderausstattung
Graphitbraun Metallic Lackierung: € 732,-

(c) Bilder: Gas Junky, Andreas König