Abarth 500e Praxistest: Giftiger Rennzwerg unter Spannung

Abarth stellt schon seit Jahrzehnten sozusagen den „Hoftuner“ der Marke Fiat dar. Viele grandiose Spaßbereiter mit ordentlich Motorsound haben durch dieses italienische Unternehmen den Weg auf die Straße gefunden. Doch die Zeiten der Verbrenner sind vorbei, weshalb wir nun den ersten vollelektrischen Abarth testen durften. Eine große Frage wird sich jetzt natürlich jeder Enthusiast stellen: „Ist das dann überhaupt noch so wie man Abarth kennt oder kann ich mir da gleich den Fiat 500e kaufen?“

Exterieur: Der giftgrüne Rennzwerg

Natürlich fiel bei jedem Gespräch über den Abarth 500e sofort das Thema auf die knallige Farbe – die kann man auch wirklich nicht übersehen. Abgesehen davon kann der ultrakompakte Italiener mit seinem modernen Äußeren genauso begeistern.

Fangen wir an der Front an, wo natürlich sofort die halbovalen LED-Hauptscheinwerfer und die ovalen LED-Tagfahrlichter auffallen. Dazwischen sitzt protzig auf einem flachen Element, welches früher einmal ein Kühlergrill gewesen wäre, der „Abarth“-Schriftzug in dunkelgrau. Echte und angedeutete, hexagonale Lufteinlässe finden sich somit nur im untersten Teil der Frontstoßstange, in der auch eine weiße Spoilerlippe integriert ist.
Folgt man nun in der Seitenansicht des Fahrzeugs der ansteigenden Motorhaube, stechen noch die freistehenden Blinker, welche leicht an Luftleitbleiche aus dem Rennsport erinnern, hervor. Die nächsten Blickfänger sind zweifelsfrei die grauen 18-Zoll-Alufelgen mit giftgrünem Skorpion-Emblem. Direkt mit dem besagten Blinker wird eine scharfe Kante aufgegriffen, welche die rundlichen Formen der Seiten gekonnt aufbricht und erst oberhalb der hinteren Radkästen, kurz vor den Heckleuchten endet. Damit der Abarth auch von allen Seiten als solcher erkannt werden kann, wurde im Seitenschweller noch ein Schriftzug eingearbeitet und gleich nach dem Türgriff ist ein schwarz-grüner Skorpion zu sehen, der auf einem Blitz sitzt – was wohl eine Anspielung an den Elektromotor darstellt.

Am Heck sind es die rechteckigen LED-Heckleuchten und der dezente Heckdiffusor mit weißer Konturierung, die den Auftritt abrunden.

Interieur: Willkommen im Alcantara-Himmel

Man kennt es bereits von einer Vielzahl an Kleinstwägen, dass die Qualität des Innenraums zur Kosteneinsparung mäßig ausfällt – hier allerdings nicht! Das macht sich bereits beim Einsteigen bemerkbar, wenn man auf den Alcantara-Sitzen mit modernem Muster Platz nimmt. Diese verfügen nicht nur über ordentlich Seitenhalt, sondern wurden auch mit Ziernähten in blau und grün (Poison Blau und Acid Grün) verschönert. Das moderne, digitale 7-Zoll-Fahrinfodisplay zeigt das Wichtigste an und wechselt je nach Fahrmodus das Design. Außerdem sind hier einige der Einstellungen zu steuern, wie beispielsweise der Außensound, aber dazu später mehr. Protzig sitzt davor das Alcantara-Lenkrad mit blauer Zwölf-Uhr-Markierung und grünem Skorpion in der Mitte, welches nicht nur sehr griffig ist, sondern auch wegen der Dicke gut in der Hand liegt.

Das mit diagonalen Nähten versehene Alcantara-Armaturenbrett wertet das Innere nochmals auf und beheimatet das 10,25-Zoll-Infotainmentdisplay. Hier sind neben Steuerung von Klima und Co. auch Spielerein wie eine Zeitmessung für die Beschleunigung von 0-100 km/h zu finden. Durch die Ausstattungsvariante Turismo wird der Sound über eine JBL-Anlage mit sechs Lautsprechern und einem Subwoofer ausgegeben, die 320 Watt leistet. Das mag nicht nach aufregend viel klingen, doch für diese kompakte City-Rakete mehr als ausreichend – so kann auch an trüben Tagen die Stimmung augenblicklich angehoben werden. Das ist besonders wichtig, wenn dann doch mal jemand unerwartet mitgenommen werden muss und die hinteren Sitze zum Einsatz kommen. Diese sind durch den 3-Türer-Aufbau nicht nur schwer zu erreichen, sondern stellen auch den ultimativen Endgegner für Menschen mit Klaustrophobie dar. Ähnliche Platzverhältnisse herrschen im Kofferraum, der mit 185 Litern erwartungsgemäß kein Raumwunder ist, dieses erwartet man aber auch keinesfalls.

Fahrverhalten: Frecher Skorpion sucht enge Kurven

Als erster, elektrischer Abarth wagt sich der 500e in ganz neue Bereiche. Das Elektro-Aggregat liefert maximal 155 PS (113,7 kW) und 235 Nm an die Vorderräder. Das verbaute Differenzial arbeitet erstklassig und sorgt beim Beschleunigen während der Kurvenfahrt für vorzüglichen Grip. Auch die Lenkung passt bestens zum Gesamtbild, denn sie gibt reichlich Feedback und lenkt direkt ein, sodass man besonders auf engen Serpentinen das Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommt. Bei der Beschleunigung von 0-100 km/h merkt man, dass der kompakte Italiener kräftig anpackt und die Zielgeschwindigkeit in sieben Sekunden erreicht wird.
Dass die Beschleunigungsorgie bei höheren Tempi etwas nachlässt, das mag man dem Stromer gar nicht böse nehmen, denn bei 155 km/h ist sowieso Schluss mit lustig.

Drei Fahrmodi stehen zur Verfügung, wobei „Turismo“ und „Scorpion Street“ für Alltags- und Stadtstrecken ideal sind. Hier rekuperiert der Abarth beim Reduzieren des Gas-Inputs mit ordentlich Biss. Im Modus „Scorpion Track“ wird wie bei „Scorpion Street“ maximale Beschleunigung an den Tag gelegt, doch das Bremspedal rückt ins Rampenlicht und die Rekuperation fällt weg, wodurch gerade beim Einsatz auf Rennstrecken noch genauer gearbeitet werden kann und die Rundenzeiten dahinschmelzen.

Beim Thema Reichweite und Verbrauch wird es spannend, denn die 42,2 kW-Batterie (netto 37,8 kW) benötigt bei unserem Testverbrauch (bei winterlichen Temperaturen) von 21,3 kWh/ 100 km bei meist 150 Kilometer die nächste Ladestation – sofern man die 10 Prozent SoC einkalkuliert. Auch die maximale Ladeleistung von 85 kWh fällt in der Praxis meist deutlich geringer aus.

Sicherheit und Technik: Der Partytrick

Eins der wohl berühmtesten Features des Abarth 500e ist der Soundgenerator, der künstlichen Motorsound in die Welt posaunt. Glücklicherweise kann dieser abgestellt werden, denn auch wenn es im Stillstand ganz lustig sein mag, nervt es während der Fahrt schon nach wenigen Minuten. Hinzu kommt, dass die Frequenz des „Motorsounds“ nicht nach der imaginären Drehzahl gerichtet ist, sondern nach der Geschwindigkeit. Zusätzlich kann dieser nur während es Stillstands ein- beziehungsweise ausgeschaltet werden. Würden diese Details noch etwas überarbeitet werden, könnte das Ganze deutlich besser wirken.

Unser Fazit:

Der Abarth 500e ist der erste seiner Familie, der Sound nur durch elektrische Unterstützung erzeugt. Das mag für viele eingeschworene Liebhaber ein Dorn im Auge sein, zieht allerdings auch wieder ein anderes Publikum umso mehr in den Bann. Fahrspaß wird allerdings auch ohne Motordröhnen nicht zu kurz kommen, denn besonders in Kurven, wenn man ohnehin nicht mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist, sorgen die sofortanliegenden Newtonmeter und die präzise Lenkung für richtiges Gokart-Feeling. Aufgrund von mangelnder Reichweite werden allerdings längere Ausfahrten in den Alpen im Großteil der Fälle ausfallen und Alltagsstrecken werden vermutlich die Heimat des Elektro-Italieners.

Was uns gefällt:

  • Die direkte Lenkung
  • Die Verarbeitung des Interieurs
  • Die stadttauglichen Außenmaße

Was wir noch verbessern würden:

  • Den Antrieb auf die Hinterachse verlegen
  • Optimierung der Reichweite
  • Einen Schalter für die Aktivierung/Deaktivierung des „Motorsounds“

Factbox: Abarth 500e Tursimo

Motor/Antrieb

Motor: Permanentmagneterregter Synchronmotor
Leistung kW/PS: 113,7 kW/ 155 PS
Drehmoment:  235 Nm
Antrieb: Vorderradantrieb
Getriebeart: 1-Gang-Automatikgetriebe
0-100 km/h: 7 Sekunden
V-Max: 155 km/h

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert: 18,1 kWh/ 100 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt: 21,3 kWh/ 100 km
Reichweite nach WLTP: 253 km

Ladedauer (Herstellerangaben)

Wallbox, 11 kW (0-100%): 4h 15min
Gleichstrom-Schnelllader (0-80%): 34min

Reifen/Felgen/Bremsen

Bremsen: VA: Scheibenbremsen innenbelüftet HA: Scheibenbremsen
Felgen/Reifen: 205/40 R 18

Gewicht und Maße

Leergewicht: 1.335 kg
L/B/H: 3,673/1,900/1,518 m
Radstand: 2,322 m
Kofferraumvolumen: 185-550 Liter
Elektrische Speicherkapazität in Kilowattstunden: 42,2 kWh brutto/ 37,8 kWh netto

Preise
Abarth 500e zu haben ab:
€38.200,-
Abarth 500e Turismo zu haben ab:
€42.200,-
Preis Testfahrzeug inkl. NoVa und MWSt.:
€42.700,-
Sonderausstattung:

Sonderlackierung Acid Grün € 500,-

(c) Bilder und Text: Alexander Schön

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