Mit dem i3 als auch dem i8 konnten sich die Bayern nicht so richtig in puncto alternativen Antriebssträngen unter Beweis stellen. Dass zweiteres Modell bei den Verkaufszahlen schwächelte und in Folge eingestellt wurde, fanden wir ziemlich schade. Einige Jahre später stellt BMW mit dem iX ein Modell auf die Räder, welches unserer Meinung nicht wirklich Konkurrenzdruck verspürt und selbst von richtigen Motorsport-Enthusiasten bestaunt wird, überhaupt wenn es um das Fahrverhalten und den futuristischen Innenraum geht.
Gleiches trifft auch auf den BMW i4 zu, besonders wenn man in der Topversion mit sagenhaften 544 PS Platz nehmen darf. Immerhin haben wir es hier mit dem ersten rein elektrischen Modell mit dem M-Kürzel zu tun, hier vermutet man also bereits Freude am Fahren der Sonderklasse.
Für uns ist der i4 sowas wie der rein elektrische M4, der mit noch mehr Leistung und Drehmoment die Nackenmuskeln der Passagiere trainiert. Oftmals endet es dann auch bei einer saftigen „Knackwatschn“, die meist mit einem Grinser verziehen wird.
Aber es sind nicht ausschließlich die utopischen Beschleunigungswerte, die den BMW i4 zu einem sensationellen Elektrofahrzeug machen, das sich sehr nahe an die Werte eines Verbrenners gesellt.
Exterieur: Heute geschlossen!
Auch bei der rein elektrischen Version werden die XXL-Nieren die Freude mancher Hater bescheren, wobei dieses Kapitel mittlerweile äußerst langweilig wirkt. Dennoch verfügt man bei den Nieren des i4 über eine geschlossene Version, denn logischerweise benötigt die rein elektrische Version keine Frischluftzufuhr an der Front. Auch die restlichen Details folgen der Verbrenner-Version des BMW 4er Gran Coupés. Am Heck muss man natürlich auf eine Abgasanlage verzichten, diese wird mit Applikationen des Heckdiffusors nur angedeutet, womit auch hier der i4 den Verbrenner-Modellen nahezu ident wirkt.
Der klare Eye-Catcher der Testversion bildet das Carbon-Paket um knapp 2.500 Euro und die 20-Zoll M Räder um nochmals knapp 2.200 Euro. Im Zuge der NoVA Ersparnis könnte man hier natürlich ein Auge zudrücken und sich diese Optionen leisten. Wer mal persönlich die M Carbon Spiegel (Teil des Carbon Pakets) inspiziert, wird wohl hier nicht mehr zögern können.
Interieur: Beste Verarbeitung und reduzierte, induktive Bedienbarkeit!
Im Cockpit geht es BMW typisch zu: sprich erstklassige Haptik auf Premium Niveau und auch die Ergonomie hinter dem Sportvolant könnte besser nicht abgestimmt sein. Kritik gibt es jedoch für die Bedienbarkeit des neuen Infotainment-Systems. Denn in das neue 14,9-Zoll „Curved Display“ wurde auch die Klimabedien-Einheit integriert, diese nun ausschließlich mittels Touchbefehl oder via Sprachsteuerung bedient werden kann. Hingegen die Auflösung der beiden Displays (12,3-Zoll hinter dem Volant) für Premium-Ansprüche sorgt.
Die Kopf- und Beinfreiheit könnte in zweiter Reihe deutlich luftiger ausfallen. Natürlich rechnet man bei einem Gran Coupé mit etwas eingeschränkter Kopffreiheit, aber auch bei den Beinen hapert es, denn bei tief eingestellter Sitzposition können die Beine der Passagiere der zweiten Reihe nur notbedürftig untergebracht werden. Hingegen man mit einem Kofferraumvolumen mit 470 bis 1.290 Liter gut leben als auch reisen kann. Auf einen Frunk muss man beim i4 leider verzichten.
Fahrverhalten und Lademanagement: Der flottere M4!
Es ist schon erstaunlich welch abartige Beschleunigung der i4 M50 auf die vier Räder loslässt. Teilweise hat man Angst, dass man den Asphalt in Teile pflügt, da die Power natürlich sofort zur Verfügung steht und der Sprint auf Tempo einhundert in nur 3,9 Sekunden erledigt ist. Uns war schon klar, dass die M GmbH ihre Signatur nur auf Fahrzeugen anbringt, die auch tatsächlich den Asphalt zum Dampfen bringen, aber der i4 M50 hat tatsächlich dieses Spektrum gesprengt.
Immerhin wiegt der Viertürer knappe 2,3 Tonnen und diese machen sich in keiner Fahrsituation bemerkbar. Der Wechsel in den Sportmodus ist nochmals eine gesteigerte Nummer, die wohl auch jeden Gas Junky zum Schwitzen bringt. Wobei man bereits im “Comfort” Modus mit reichlich Leistung und Beschleunigung der Extraklasse belohnt wird.
Es benötigt hier also schon eine große Überwindung, dass man mit dem i4 immer das richtige Tempo wählt, denn ein minimaler Gastritt lässt dich schon ins Kriminal wandern, schneller als man es glaubt.
Der Bayer lenkt erstklassig ein, meines Erachtens nahezu schon ein wenig zu präzise, verzögert erstklassig und legt auch bei der Querdynamik seine Premium-Qualitäten an den Tag. Selbst bei sehr flott gefahrenen Kehren verfügt der i4 um die beste Verbindung mit der Fahrbahn, sodass man an den Grenzen der Physik schon ein wenig zweifelt.
Lediglich bei Autobahn-Etappen leidet der i4 unter den klassischen Problemen der E-Mobilität, nämlich dem Verbrauch. Im Schnitt waren wir mit 22,5 kWh pro 100 Kilometer unterwegs, auf Autobahn-Etappen stieg dieser bis zu 27 kWh an. Das würde einer Reichweite von 298 Kilometer entsprechen, wobei man meist mit 10 Prozent State of Charge zu der Ladesäule rollt, das wären dann 268 Kilometer. Ohne diese sind 350 Kilometer mit einer Akku-Ladung kein Problem, ganz im Gegenteil.
Aber das ist auch schon der einzige Kritikpunkt, welcher bei nahezu allen Fahrzeugen mit rein elektrischem Antrieb derzeit besteht.
Hier kann der i4 M50 mit einer Maximalladeleistung von bis zu 205 kW entgegenwirken, womit bereits nach 31 Minuten von 10-80 Prozent des Akkus vollgeladen werden. Das ist schon rekordverdächtig für ein Fahrzeug mit 400 Volt Technik. Über Nacht erledigt die Wallbox den Ladevorgang in ca. 8 Stunden und 25 Minuten.
Außerdem könnte man auch zu der schwächeren Version greifen, die dann bestimmt ähnlichen Fahrspaß bietet, aber sicherlich über eine gesteigerte Reichweite verfügt. Die Ersparnis der NoVA und motorbezogenen Steuer bildet darüber hinaus ein weiteres Kaufargument. Ob man mit dem Sound des Hans Zimmer glücklich wird, das soll jeder für sich entscheiden. Der Kaltstart als auch die Lastwechsel des Reihensechser sind und bleiben weiterhin meine Lieblingsmelodien.
Fazit:
Der BMW i4 M50 treibt selbst Physiker an die Grenzen deren Gesetze, das mögen wohl die 544 PS Systemleistung und knapp 800 Nm befürworten. Der i4 M50 lässt auch vor dem Vebrenner Verbot (voraussichtlich) 2035 keine Ängste aufkommen, immerhin fährt dieser wie einer der alten Klasse und lässt auch Reichweitenängste mit perfektem Lademanagement schmälern. Die unglaubliche Performance gepaart mit sportlichem und haptisch erstklassigem Cockpit lassen Tränen bei der Rückgabe des Elektro M-Bayerns fließen.
Was uns gefällt:
Das Fahrverhalten
Die unglaubliche Beschleunigung
Die Ladeleistung
Was wir noch verbessern würden:
Die Preispolitik der Optionsliste
Die Bedienung der Klimaeinheit
Factbox – BMW i4 M50 Gran Coupé
Motor/Antrieb
Motor: zwei Elektromotoren, Batteriekapazität: Brutto 83,9 kWh, Netto 80,7 kWh
Leistung kW/PS: 400 kW/ 544 PS
Drehmoment: 795 Nm
Antrieb: Allrad
Getriebeart: Automatik-Getriebe
0-100 km/h: 3,9 Sekunden
V-Max: 225 km/h
Verbrauch/Umwelt
Werksangabe – kombiniert: 22,5 – 18,0 kWh/100 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt: 22,5 kWh/100 km
Reichweite nach WLTP: 520 – 415 km
Ladedauer
Wallbox, 11 kW (Ladezeit 0 bis 100 %): 8 h 25 min
Gleichstrom-Schnellader, bis zu 205 kW (Ladezeit bis 10-80%): 31 Minuten
Bremsen/Reifen/Felgen
Bremsen: VA+HA: Scheibenbremsen (innenbelüftet)
Felgen/Reifen: VA: 255/35 R20; HA: 285/30 R20 (Testversion)
Gewicht und Maße
Leergewicht: 2.290 kg
L/B/H: 4,783 m /1,852 m /1,448 m
Radstand: 2.856 m
Kofferraumvolumen: von 470 bis 1.290 Liter
Preise
BMW i4 (Basismodell) zu haben ab: € 59.950,-
BMW i4 M50 Gran Coupé (ohne Extras) zu haben ab: € 71.600,-
Preis Testfahrzeug inkl. NoVA und MWSt: € 93.668
Sonderausstattung:
M Technik Paket € 85
Österreich Paket € 875
Innovationspaket € 2.950
Lackierung M Brooklyn Grau metallic € 775
Polsterung Leder Vernasca Schwarz / Kontraststeppung Blau € 1.220
Lenkradheizung € 225
Anhängekupplung mit elektr. Schwenkbarem Kopf € 925
20 Zoll M Leichtmetallräder € 2.185
M Leuchten Shadow Line € 250
Glasdach elektrisch € 1.010
Sonnenschutzverglasung € 360
M Sicherheitsgurte € 250
Sitzheizung vorne und hinten € 640
BMW Individual Instrumententafel lederbezogen € 880
M Interieurleisten Carbon Fibre € 460
Galvanikapplikationen für Bedienelemente € 85
Active Protection € 295
Driving Assistant Professional € 760
Parking Assistant Plus € 465
Harman Kardon Surround Sound System € 755
BMW Drive Recorder € 170
M Sportsitze für Fahrer und Beifahrer € 830
M Carbon Exterieurpaket € 2.355
M Hochglanz Shadow Line mit erweiterten Umfängen € 145
Service Inclusive 6 Jahre € 770
(c) Bilder: Sebastian Poppe