Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC Praxistest: Die Spannungssuche

Mit dem EQE bringen die Schwaben die kompaktere Version des EQS auf den Markt. Den Einstieg bildet der EQE 300, welcher mit einer WLTP-Reichweite von bis zu 626 Kilometer glänzen soll. Sowohl EQE 350 als auch die 500er 4MATIC Version versprechen am Datenblatt bis zu 580 Kilometer am Stück. Darüber rangieren noch zwei AMG-Versionen, nämlich der EQE 43 4MATIC, welchen wir im Test gefahren sind und die Topversion als 53er 4MATIC mit 626 PS und knapp 1.000 Nm Drehmoment! Aber gelingt es tatsächlich, dass dieselben Emotionen geweckt werden, welche die Verbrenner Modelle der Affalterbacher den Fans der Marke spendieren konnten?

Interieur: Riesige Kopf- und Beinfreiheit, riesiges Infotainment-Kino, aber nur durchschnittliche Verarbeitung

Kein Wunder, die 3,12 Meter Radstand spendieren dem Elektro-Performer in beiden Reihen reichlich Beinfreiheit. Trotz Panoramadach gelingt es dem EQE aber auch in der Höhe luftige Atmosphäre zu schaffen, lediglich das Kofferraumvolumen mit 430 Liter ist nicht gerade familienfreundlich.
Natürlich ist das klare Highlight die MBUX-Infotainment-Zentrale, welche ausschließlich per Touchbefehle bedient wird. Klar ist man auf den ersten Blick ein wenig überfordert, aber nach kurzer Eingewöhnungsphase spiegelt sich die Bedienung des riesigen Infotainment-Bildschirms als äußerst intuitiv. Nicht nur die Menüführung ist logisch aufgebaut auch die Symbole sind etwas größer geraten und können so auch während der Fahrt ohne große Ablenkung „getoucht“ werden.

Weniger Zufriedenheit liefern die beiden Bedienelemente pro Seite des Sportvolants, welches nicht nur gut in den Händen liegt, sondern aufgrund der Alcantara Elemente sofort ins Auge sticht und auch beim Blick durch das Seitenfenster die Power des leistungsstarken Elektromodells keinesfalls in Frage stellt, ganz im Gegenteil.
Das Problem dieser Plastik-Elemente liegt ganz klar an der Haptik, denn die Leisten erfüllen keinesfalls den hochwertigen Premium-Charakter, welchen man aus früheren AMG-Modellen gewohnt war. Deutlich wertiger finden wir die Drehregler, welche links und rechts am Volant platziert wurden, um den gewünschten Fahrmodi bzw. auch die Fahrwerkabstimmung zu konfigurieren.
Man hat beim EQE eben mehr auf den klassischen Wow-Effekt mit zahlreichen technischen Features gesetzt (beispielweise die Ambientebeleuchtung in zahlreichen Farben, die ausgezeichnete Sprachsteuerung „Hey Mercedes“ als auch die verschiedenen AMG-Soundexperience – aber dazu später mehr).

Deutliche Abstriche gibt es leider auch für die verbauten Elemente des Cockpits, denn bei niedrigem Tempo melden sich diese immer wieder mal mit Verwindungsgeräuschen zu Wort, das sollte in dieser Preisklasse keinesfalls passieren.

Fahrverhalten und Reichweite: Gemischte Gefühle

Es ist schon eine Ansage, wenn man dank Luftfederung, 350 kW / 476 PS und 858 Nm lautlos über den Asphalt mit optionalen 21-Zoll Rädern schwebt. Und im Umkehrschwung aber beinahe jedes andere Sportmodell der Konkurrenz beim Ampelstar in Grund und Boden fährt. Klar sind in dieser Disziplin auch andere E-Modelle mit ähnlicher Leistungsentfaltung gut aufgestellt, aber sobald die Strecke mal kurvig wird, fehlt den meisten leider die entsprechende Entwicklung, um die Physik bis an die Grenzen auszutricksen. Hier haben die Ingenieure echt erstklassige Arbeit geleistet, denn dank modifizierter Stabis, Radträger und Fahrwerkslenker hat man schon mal für das nötige Setup gesorgt, um eine deutlich steifere Auslegung zu erreichen (aber keinesfalls zu holprig, diese Disziplin gleicht die Drei-Kammer-Luftfederung aus). Keinesfalls sollte man vergessen, dass der EQE 43 2,5 Tonnen auf die Waage bringt. Demnach ist nicht nur Be- sondern auch Entschleunigung ein wesentlicher Aspekt. Aber das funktioniert erstklassig, da man mittels Schaltpaddles die gewünschte Rekuperationsstufe auf den persönlichen Geschmack perfekt abstimmen kann. Außerdem wurde auch der Übergang zwischen Rekuperation und betätigen der Bremse bis ins letzte Detail perfektioniert, sodass auch auf engen Kehren immer das Setup zwischen Be- und Entschleunigung auf den Millimeter genau passt.
Dank der Hinterachslenkung (bis zu 3,6 Grad) ist man mit dem knapp fünf Meter Modell nicht nur in Parkgaragen gut aufgehoben, auch im Hinterland zirkelt man leichtgängig durch die Kehren, sodass der EQE nochmals deutlich kompakter wirkt.

Dass sich im Sport und Sport+ Modus die sogenannte AMG-Soundexperience zu der in 4,2 Sekunden raketenartigen Beschleunigung gesellt, das wird wohl eher Influencer unter uns beeindrucken. Trotz der AMG artigen Performance vermissen wir das einzigartige Klangerlebnis, welches den größten Teil der Emotionen weckt, dabei befinden wir uns auf der Spannungssuche.

In puncto Laden und Reichweite ist der EQE 43 4MATIC den winterlichen Bedienungen ausgesetzt. Klar probiert man mal im Sport plus Modus einen Start auf Tempo einhundert aus oder schaut, wie sich das Modell in flott gefahrenen Kurven schlägt – dennoch haben wir uns eher auf die alltagstaugliche Fortbewegung konzentriert – sprich eine vorausschauende Fahrweise im Comfort-Modus in der Stadt, auf der Landstraße als auch auf der Autobahn.
Der Akku verfügt über eine maximale netto Kapazität von 90,56 kWh und die maximale Ladeleistung liegt laut Hersteller-Angaben bei 170 kW, sodass man für 10-80 % am Schnellader maximal 32 Minuten benötigt. Laut WLTP-Wert sollten bis zu 462 Kilometer mit einer Akku-Ladung möglich sein. Von dieser Angabe distanzieren wir uns in der Praxis leider um Welten. Der durchschnittliche Testverbrauch ist aufgrund der winterlichen Bedienungen auf 29,5 kWh nach oben geschossen, womit gerade mal 300 Kilometer als realistisch betrachtet werden, wenn man die volle Kapazität ausschöpft. Eventuell würde hier eine Wärmepumpe Abhilfe schaffe, jedoch gibt es diese auch nicht gegen Aufpreis zu erwerben.

Einen deutlich besseren Eindruck hinterlässt der EQE 43 4MATIC an der Ladesäule, denn hier konnten wir den Akku in nur 35 Minuten von 10-80 % laden, womit die Angabe des Herstellers kaum abweicht.

Fazit:

Der EQE gilt als kompaktere Version der rein elektrischen Oberklasse. Bei Wahl der „Einstiegs-AMG-Version“ bekommt man nicht nur reichlich Leistung und Drehmoment spendiert, auch die Performance in engen, flott gefahrenen Kurven überrascht trotz hohem Leergewicht.
Hingegen es bei der Praxis-Reichweite, der Haptik im Innenraum als auch beim mageren Kofferraumvolumen Abstriche zu bewerten gab.

Was uns gefällt:

Die Leistungsentfaltung
Die Performance in engen Kehren
Die zahlreichen, technischen Features inklusive MBUX-Infotainment
Die Ladegeschwindigkeit am Schnelllader

Was wir noch verbessern würden:

Die Reichweite in der Praxis (bei winterlichen Bedingungen)
Das Kofferraumvolumen
Die Plastik-Elemente am Sportvolant

Factbox: Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC

Motor/Antrieb

Motor: 2x Permanenterregte Synchronmaschinen
Leistung kW/PS: 350 kW/ 476 PS
Drehmoment:858 Nm
Antrieb: Allrad
Getriebeart: 1-Gang (Automatik)
0-100 km/h: 4,2 Sekunden
V-Max: 210 km/h
Batteriekapazität: 90,56 kWh (netto)
Max. DC-Ladeleistung: 170 kW

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert: 22,0 kWh/ 100 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt: 29,5 kWh/ 100 km
Reichweite nach WLTP: 462-533 km

Ladedauer (Herstellerangaben)

Wallbox, 11 kW (0-100%): 8,25 Stunden
Wallbox, 22 kW (0-100%): 4,25 Stunden
Gleichstrom-Schnelllader (10-80%): 32 Minuten

Reifen/Felgen/Bremsen

Bremsen: VA+HA: Innenbelüftete Scheibenbremsen
Felgen/Reifen: VA: 265/35 ZR21 HA: 295/35 ZR21

Gewicht und Maße

Leergewicht: 2.525 kg
L/B/H: 4,964 / 1,961 / 1,492 m
Radstand: 3,120 m
Kofferraumvolumen: 430 Liter

Preise

Mercedes EQE zu haben ab: € 69.060,-
Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC zu haben ab: € 106.320
Preis Testfahrzeug inkl. NoVa und MwSt: € 126.348,-

Sonderausstattung

Lackierung Manufaktur opalithweiß bright € 1.720,-
Polsterung Leder Nappa AMG schwarz/balaobraun € 2.370,-
Sitzklimatisierung für Fahrer und Beifahrer € 805,-
AMG Performance Lenkrad in Leder Nappa € 440,-
53,3 cm (21″) AMG-Leichtmetallräder im Vielspeichendesign € 1.775, –
Premium Plus Paket € 9.770, –
Panoramaschiebedach
URBAN GUARD Fahrzeugschutz Plus
Einbruch- und Diebstahlwarnanlage Basis
Innenraumabsicherung
Bremssättel rot lackiert € 710,-

(c) Bilder: Sebastian Poppe