Toyota Land Cruiser: Ein Präsident auf Abwegen – Praxistest

Der Toyota Land Cruiser eroberte wortwörtlich die Welt, doch wie schlägt sich der Straßenkreuzer im österreichischen Verkehr?

Ein Beitrag von Andreas König

Den Urgroßvater des heutigen Toyota Land Cruisers gab es bereits seit 1951 und das Einsatzgebiet war zu Beginn rein für militärische Zwecke vorgesehen.
Das änderte sich in den darauffolgenden Jahren recht rasch und spätestens ab den 60er Jahren eroberte dieses robuste Geländefahrzeug die Welt – stellte doch fast kein Terrain ein Problem für ihn dar. Egal ob Wüste, Hochgebirge oder Dschungel – der Land Cruiser war für jeden Untergrund die perfekte Fahrzeugwahl. Dementsprechend fand er auch genügend Käufer auf allen Kontinenten der Welt.

Aber die Zeiten änderten sich und mit ihr auch der Land Cruiser, der sich nun als verwöhntes Urenkerl mit allerlei technischen Raffinessen und einer luxuriösen Innenausstattung präsentiert. Als Testfahrzeug wurde uns nämlich die Top-Ausstattung President zur Verfügung gestellt.

Der Land Cruiser sorgt für einen mächtigen Auftritt auf Wald, Wiese und im Parkhaus

In Europa bekommt man den Land Cruiser fast ausschließlich in der sogenannten Prado-Version. Außerhalb Westeuropas (insbesondere in den USA, Russland und dem arabischen Raum) gibt es den Land Cruiser zum Teil auch in der J200-Version mit V8-Motoren und etwas größeren Außenabmessungen.
Angesichts der soliden Fahrleistungen und unserer engen Straßen ist es aber kein großer Wermutstropfen, dass wir „nur“ den „kleinen“ Prado kaufen können.
Alleine die beeindruckenden Außenmaße von knapp 4,9 Metern Länge und mehr als 1,8 Metern Höhe stellen die meisten bei uns erhältlichen SUVs in den Schatten. Die zeitlose und doch interessante Karosserieform gefällt mir sehr gut, bilden doch der große Kühlergrill, die gewaltigen LED-Scheinwerfer, die schwarze Lackierung und die 19 Zoll Felgen in den riesigen Radkästen ein stimmiges Gesamtpaket. An der Seite gibt es Schweller die einem den Einstieg deutlich erleichtern und durch die zusätzliche Beleuchtung einem auch im Dunkeln wissen lässt, wo man seinen Fuß hinzusetzen hat.
Das Heck zieren schicke LED-Heckleuchten und eine schwere Heckklappe, die nicht nach oben sondern seitlich geöffnet wird. Sehr praktisch ist hier auch, dass es eine Verriegelungsfunktion gibt, die im steilen Gelände das ungewollte Schließen der Heckklappe verhindert.
Zusätzlich zur Heckklappe gibt es auch noch die Möglichkeit nur das Heckfenster nach oben zu öffnen – so ist er Zugang zum Kofferraum eigentlich immer möglich.

Eine Staatskarosse in der sich jeder Präsident wohl fühlt

Beim ersten Einstieg merkt man sofort wieso diese Version „President“ genannt wird. Man nimmt Platz in einem edlen, mit beigem Leder bezogenen Innenraum. Die Vordersitze sind weich gepolstert und beim Start der Zündung senkt sich das Lenkrad automatisch in die gewünschte Position, um einen so den Ein- und Ausstieg zu erleichtern. Die Ledersitze sind nicht nur äußerst weich und bequem, sondern bieten auch einen erstaunlich guten Seitenhalt. Das Highlight an den eleganten Hockern ist aber meines Erachtens, dass es neben einer dreistufigen Sitzheizung auch eine dreistufige Sitzkühlung gibt. Der Fahrzeugtest fand während den heißen Augusttagen statt, da war die Sitzkühlung eine ideale Ergänzung zu der Klimaanlage, zumal dadurch verhindert wird, dass man in den Ledersitzen eine patschnasse Kehrseite bekommt. Um bei den coolen Argumenten des Innenraums zu bleiben – der Land Cruiser President hat neben einer 4-Zonen Klimaautomatik auch ein gekühltes Getränkefach in der vorderen Mittelarmlehne zu bieten. In dieses Fach kann man problemlos zwei größere Flaschen verstauen und so hat man bei längeren Fahrten immer ein kühles Getränk griffbereit.

Das Armaturenbrett ist gut aufgeräumt, ich persönlich finde aber die Anzeige des Bordcomputers im mittleren Bereich etwas schwer ablesbar, da gewisse Informationen zu klein dargestellt werden. Ansonsten kann man sich dank der entsprechenden Tasten auf dem Lenkrad aber ganz gut durch den Bordcomputer navigieren, der einem die üblichen Werte wie Spritverbrauch und Reichweite anzeigt. Außerdem kann man hier den aktuellen Reifendruck abfragen, der einem für jedes Rad einzeln eingeblendet wird.
Der Land Cruiser verfügt über eine Verkehrszeichenerkennung die ebenfalls auf dem Infodisplay angezeigt wird, wobei ich von diesem Feature etwas enttäuscht wurde. Verkehrsschilder wurden nämlich nur teilweise erkannt und man bekommt den Eindruck, dass dieses System im Zweifelsfall einfach Tempo 70 vorschlägt – wenn ich mich immer daran gehalten hätte, wäre ich aber durch viele Ortschaften zu schnell durchgebrettert.
Damit man den Land Cruiser gut durch unwegsames Gelände bewegt, wurden alle dafür notwendigen Knöpfe gut in der Mittelkonsole platziert. Über diese hat man die Möglichkeit die Crawl-Funktion einzuschalten, eine der beiden Differenzialsperren zu aktivieren, das Höhenniveau anzupassen und das Allradgetriebe einzustellen.
Direkt darüber befindet sich der Bildschirm vom Multimedia-System inklusive Navi. Die Auflösung des Bildschirms ist in meinem Augen allerdings nicht mehr ganz zeitgemäß, da diese sehr grob und unscharf ist. Da hier auch das Bild der Rückfahrkamera, der Surround View und die beiden Seitenkameras angezeigt werden, ist die Bildqualität dementsprechend mäßig – es erinnert etwas an Überwachungskameras aus den 90er Jahren. Die Kameras selbst arbeiten aber einwandfrei und dank der Seitenkameras (die in den beiden Außenspiegeln verbaut sind) kann man sich sehr gut in engen Parklücken oder auf schmalen Schotterstraßen navigieren.
Auf dem Lenkrad gibt es fast schon etwas zu viele Knöpfe für Radio, Bordcomputer etc., dadurch fand man scheinbar keinen Platz mehr für den Tempomaten. Dieser wurde nämlich am Lenkrad sehr weit unten auf einem eigenen Hebel platziert. Dadurch ist die Bedienung des Tempomats etwas gewöhnungsbedürftig.

Doch genug vom Cockpitbereich, den Land Cruiser genießt man als Beifahrer am besten eigentlich auf der Rückbank. Die Beinfreiheit ist eines Präsidenten würdig und daher entsprechend großzügig. Die Sitze sind bequem und können in der Länge verstellt werden, ebenso kann auch die Neigung der Rückenlehne angepasst werden, sodass jeder Staatsoberhaupt seine ideale Sitzposition finden wird. Zentral wurde die Steuerung der Klimaautomatik und der Sitzheizung platziert, die mit ihren Funktionen kaum noch Wünsche offen lässt. Als optionale Sonderausstattung gibt es auch ein Infotainment-System für den Fondbereich, über das unser Testfahrzeug aber nicht verfügt.
Eine Reihe weiter hinten befindet sich dann auch schon das Gepäckabteil, welches in der Tiefe zwar nicht überdurchschnittlich lang ist, dafür in der Höhe ordentlich an Volumen verfügt. Hier lassen sich also mehr als genug Koffer stapeln. Erwähnenswert ist hierbei auch der sehr weiche Bodenbezug, der für Wohnzimmerfeeling sorgt – also Schuhe ausziehen und den Kofferraum genießen! Für die Beladung des Mountainbikes legt man sich dann einen roten Teppich zu, um den Luxus artgerecht anzupassen.

Der Land Cruiser sorgt für ungeahnte Fahrfreude

Angesichts der Masse von mehr als 2,3 Tonnen Eigengewicht fragt man sich ernsthaft, wie sich dieser Koloss bewegen lässt und, ob da überhaupt Fahrfreude aufkommen kann.
Doch dieser Zweifel verfliegt rasch, wenn man die ersten Meter mit diesem Flaggschiff auf vier Rädern zurücklegt. Der 2,8 Liter Dieselmotor, hat reichlich Hubraum und Drehmoment parat, um den Land Cruiser flott voranzutrieben. Die 130 kW (177 PS) sind hier in keinster Weise untermotorisiert, sondern bieten den idealen Kompromiss von Leistung, Verbrauch und Alltagstauglichkeit. Wer es sportlicher haben will kann vom standardmäßigen Eco-Fahrmodus auch in den Sportmodus wechseln. Die Gasannahme und Drehfreudigkeit steigt dann merklich an, da der Eco-Modus im Vergleich dann doch eher träge agiert. Falls hier noch immer zu wenig Punch zur Verfügung steht, kann man mittels Chiptuning direkt beim Toyota-Händler die Leistung auf 200 PS legal optimieren lassen. Diese wird dann natürlich auch im Zulassungsschein eingetragen.

Dank des gut abgestimmten Fahrwerks braucht man selbst vor kurvigen Landstraßen keine Angst haben. Es ist zwar sehr weich abgestimmt, bei Kurvenfahrten hat man aber nicht das Gefühl, dass es zu schwammig ist. Auch hier wird einem also der ideale Kompromiss von Fahrfreude und Alltagstauglichkeit geboten – Fahrfreude in den Kurven, aber auch bei Schlaglöchern. Apropos Schlaglöcher: die Sommerzeit ist ja bekanntlich Baustellenzeit. Jeder Sportwagenfahrer scheut bei Baustellen die Überfahrt von Fräskanten, Bodenwellen und den ruppigen Fahrbelag. Mit dem Land Cruiser – wie der Name schon sagt – „cruist“ man hier ohne große Bedenken einfach darüber.
Ein Verkaufsargument für SUVs war immer der Blick über andere Verkehrsteilnehmer,  die vor einem gefahren sind. Da inzwischen aber gefühlt jedes zweite Auto bereits ein SUV ist, geht dieser Vorteil immer mehr unter. Im Land Cruiser sitzt man jedoch in einem Fahrzeug, mit dem man über andere SUVs bzw. fast schon Klein-LKWs erhaben nach vorne sehen kann. Das subjektive Sicherheitsgefühl steigt dadurch enorm an. Irgendwie fühlt man sich wie der Präsident persönlich – natürlich nur auf der Straße.
Trotz der Größe braucht man auch keine Scheu vor Tiefgaragen haben. Sollte die zulässige Einfahrtshöhe nicht überschritten werden, braucht man nur das nötige Feingefühl für die Fahrzeugbreite. Sollte das vorhanden sein, steht der Alltagstauglichkeit fast nichts im Wege – es sei denn, man wohnt in einer sehr urbanen Gegend, dann könnte einem die Fahrzeuglänge und die Breite bei der Parkplatzsuche schon etwas Probleme bereiten. Doch in erster Linie ist und bleibt der Toyota Land Cruiser ein Fahrzeug für Abenteuer in der Natur und sollte zumindest hie und da seinen Freilauf im Gelände spendiert bekommen!

Dieses Fahrzeug habe ich von Tag zu Tag immer mehr ins Herz geschlossen und entsprechend wehmütig habe ich mich wieder von ihm getrennt – es blieb bei Träumen von all den Abenteuern, die ich mit ihm noch erleben könnte. Somit wechsle ich meine Rolle wieder vom President zum König.

Mein FAZIT:

Was mich begeistert:
Die Sitzkühlung!
Der kraftvolle Dieselmotor
Die luxuriöse Ausstattung

Was ich mir noch wünschen würde:
Schaltwippen am Lenkrad
Eine bessere Auflösung am Multimedia-Bildschirm für die zahlreichen Kameras                   Zuverlässigeren Verkehrszeichen-Assistent

Factporn:

Modell: Toyota Land Cruiser 2,8 D-4D 4WD President Automatik
Motor / Antrieb: Vierzylinder-Dieselmotor Allrad
Hubraum / Verdichtung: 2.755 ccm
Leistung  kW /PS (Gesamt): 130 kW / 177 PS
Drehmoment: 450 Nm bei 1.600 bis 2.400 U/min
Antrieb: Allradantrieb
Getriebeart: 6-stufiges Automatikgetriebe
0-100 km/h: 12,7 Sekunden
V-Max: 175 km/h
Verbrauch Werksangabe – Stadt/Land/kombiniert, l/100 km: 9,4 / 7 / 7,8
Verbrauch Test – Durchschnitt: 10 Liter
Leergewicht:
2.370 kg
L/B/H: 4,84 / 1,88 / 1,84 (Meter)
Radstand: 2,79 m
Wendekreis: 11,6 m
Kofferraumvolumen: 880 bis 1.955 Liter
CO2 Emissionen:
199 g/km
Tankinhalt:
87 Liter
Kraftstoff:
Diesel
Toyota Land Cruiser zu haben ab: 45.300 €
Basispreis getestete Version:
81.800 €
Preis Testfahrzeug inkl. Mehrausstattung, % NoVA und 20 % USt: 82.800 €

Sonderausstattung:
• Elektrisches Glas-Schiebedach € 1.000,-

(c) Bilder: Sebastian Poppe

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