Praxistest: Renault Captur – Wenn’s auf die Größe ankommt

Vor zwei Jahren entschieden wir uns spontan für Fly & Drive: vier Erwachsene und vier Gepäckstücke waren für etwas mehr als ein Wochenende gemeinsam unterwegs. Wie schon oft zuvor erlebt, war das bei der Mietwagenfirma bestellte Fahrzeug vor Ort dann doch nicht verfügbar. Was diese Urlaubserinnerungen aus Vor-Corona-Zeiten mit dem Renault Captur zu tun haben? Ganz einfach: Das kleine City-SUV rettete unseren Urlaub.

Praktisches Detail

Hat der pfiffige Franzose doch – und das Gott sei Dank auch heute noch – ein Feature an Bord, das der Rücksitzbank zu völlig neuer Bedeutung verhilft. Man könnte auch sagen: Raffinesse serienmäßig. Denn die Rücksitzbank  lässt sich en gros mit einem einfachen Handgriff und nur wenig Kraftaufwand um ca. 15 cm in Längsrichtung verschieben – perfekt, um entweder Gepäck oder Passagieren den nötigen Raum zu geben. In unserem Fall brachten damals sogar beides unter. Aktuell gibt es dank des doppelten Kofferraumbodens auch noch Platz für Kleinkram und für die Reisenden in Reihe zwei jeweils eigene Luftauslässe und USB-Anschlüsse.

Im Vergleich zu unserer „Urlaubsversion“ hat sich der Captur – außen wie innen – jedenfalls gemausert. Die Materialen sind hochwertiger geworden, wenn auch so manche Bedienelemente auch ein wenig an Dacia erinnern. Dafür lässt sich die Klimaanlage (da wie dort) mittels Drehregler steuern. Schade, dass darauf beim Radio bzw. der Multimedia-Einheit verzichtet wurde. Genug vom musikalischen Genuss? Bitte zweimal bestätigen, dass das wirklich so sein soll: Zuerst muss am 9,3 Zoll-großen Bildschirm das Ein-/Aus-Feld „angetatscht“ werden, danach im Untermenü bestätigt werden, dass „Radio/Musik OFF“ gehen soll. Es geht über einen Zusatzschalter am Lenkrad aber auch einfacher.

Die Auflösung des Bildschirms selbst ist – wie auch das digitale Armaturenbrett – gestochen scharf. Da können sich manch andere Hersteller eine Scheibe abschneiden. Gut gefallen hat uns auch die Ausrichtung des Touchscreens: Hochkant macht gerade beim Navi – das auch mittels Sprachsteuerung funktioniert – oftmals mehr Sinn als das bekannte Querformat. Praktisch finden wir auch, dass auf der gewählten Strecke nicht nur Tankstellen, sondern der zugehörige Preis der notwendigen Treibstoffart angezeigt wird. Wer sich für einen Captur entscheidet, kann zwischen vier Benzinern, zwei Diesel-Motoren und einem Plug-in Hybrid wählen. Aufgrund der Umstellung auf eine noch peniblere Abgasnorm, kann die Motorisierung der Testversion derzeit nicht bestellt werden. Dennoch ist bereits eine Plug-In-Version verfügbar.

Französischer Chic

Die Qual der Wahl hat man auch in Sachen Außendesign: Es stehen eine Vielzahl an Farben und damit in Folge 90 mögliche Kombinationen zur Verfügung. Obwohl es im Straßenverkehr relativ oft einen Captur zu sehen gibt (in Deutschland zählt er sogar zu den beliebtesten Renault-Modellen) gleicht nur selten einer dem anderen: Dach, Außenspiegel, Schürzen, Seitenschweller & Co können entsprechend den individuellen Vorlieben gestaltet werden. Der Innenraum steht dem in nichts nach: Auch hier können Polsterung, Farbeinsätze, Deko-Tafeln oder Armaturenbrett so angepasst werden, wie man es sich vorstellt – mehrfarbige Ambiente-Beleuchtung inklusive.

Bei so viel Wunschkonzert muss man aber auch zugeben, dass dies irgendwann einmal ein Ende haben muss. Bei unserem 96 kW/130 PS starken Testfahrzeug war das bei den auszuwählenden Fahrmodi der Fall: Eco, Sport und MySense können über den schon erwähnten TouchScreen angewählt werden. Sichtbar ist die Änderung an den unterschiedlichen Digital-Anzeigen am Armaturenbrett, spürbar war sie leider nicht wirklich. Das mag aber auch daran liegen, dass die Lenkung für unseren Geschmack zu wenig Feedback bietet (im Sport-Modus wird sie ein wenig straffer). Auch das Ansprechverhalten bei der Gasannahme wirkt etwas ungewöhnlich: Wir hatten stets das Gefühl, dass unser „Befehl“ erst mal verdaut werden musste, um dann doch noch blitzschnell umgesetzt zu werden (vorpreschen). Dafür ist der Wahlhebel für die Automatik gut platziert. Die Bremsen tun, was man von ihnen erwartet, sind aber nicht state of the art (Trommelbremsen hinten).

Hohes C

Im Gegensatz dazu steht das Design heutigen Ansprüchen in nichts nach: Renaults Kreativköpfe haben bei der Frontpartie Anleihen beim Clio genommen, dem Captur aber eine eigenständige Rückansicht mit scharf geschnittenen C-förmigen Leuchten verpasst. Die Hauptscheinwerfer sind bereits ab der Einstiegsversion als Voll-LEDs erhältlich und werden vom ebenfalls C-förmigen Tagfahrlicht umrahmt: C wie „très chic“, könnte man sagen. Gleiches gilt auch für die nach hinten abfallende Dachlinie, die nicht nur schön anzusehen ist, sondern auch Vorteile in Sachen Aerodynamik bietet.

Wo wir gerade bei Schönheit sind: Die optische Gestaltung der Sitze soll hier nicht unerwähnt bleiben. Materialen und Verarbeitung sowie die farblich akzentuierten Einsätze verhelfen zu einem gelungenen Erscheinungsbild. Angenehm ist auch die Einstieghöhe. Weniger gut gefallen hat uns die eher weiche Polsterung in Verbindung mit fehlendem Seitenhalt. Nervig ist das ständige Piepsen (nein, es hört nicht auf), wenn man – selbst im Retourgang – ohne Gurt unterwegs ist; braucht man scheinbar in Zeiten von Rückfahrkameras (mit Vogelperspektive im SplitScreen) nicht mehr.

Oder es liegt einfach daran, dass Renault in Sachen aktiver Sicherheit aufmagaziniert ist: Wer den Tempomat nicht aktiviert hat, bekommt am Armaturenbrett den Sekunden-Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug (inkl. der passenden farblichen Hinterlegung in grün, orange oder rot ähnlich der Corona-Ampel) angezeigt. Der Spurhalteassistent versieht seinen Dienst allerdings nur in Verbindung mit eingeschaltetem Tempomat. Wie bei vielen anderen Fahrzeugen sollte man der Verkehrszeichenerkennung nur bedingt vertrauen. Zu 100 % funktioniert jedoch das automatische Ver- und Entriegeln des Fahrzeugs (inkl. Quittierungston), was recht witzig anmutet, wenn man ein paar Mal daran vorübergeht.
Vorteil: Der „Fahrzeugschlüssel“ (im Format einer Kreditkarte, aber etwas dicker) kann stets in der Tasche bleiben.

Fazit:

Mit seinen parkplatzfreundlichen Außenmaßen von 4,23 Metern und seiner – auch im Innenraum gewachsenen Größe – bietet sich der Captur dank zahlreicher Ablagen durchaus als Familienfahrzeug in der Kategorie „Vater, Mutter, Kind“ an. Als Allrad ist er nicht erhältlich, daher sollte man in seinem angestammten Terrain, der City, bleiben.

Was uns gefällt:

  • das gelungene Außendesign
  • die wunderschön gestaltete und vor allem gestochen scharfe Landschaft am Armaturenbrett bzw. am hochgestellten Touchscreen
  • die große Farbauswahl und die damit verbundenen fast unzähligen Kombinationsmöglichkeiten

Was wir noch verbessern würden:

  • die Fahrleistungen hinsichtlich Anfahr- und Beschleunigungsverhalten
  • Fahrmodi nicht nur benennen, sondern sie auch erlebbar machen
  • die ergonomische Konzeption der Sitze in puncto Seitenhalt und Festigkeit

 

Factbox: Renault Captur TCe 130 EDC PF INTENS

Motor/Antrieb

Motor: Reihe 4-Zylinder
Hubraum: 1.333 ccm
Leistung kW/PS: 96 kW/130 PS
Drehmoment: 240 Nm bei 1.600 U/min
Antrieb: Frontantrieb
Getriebeart: Automatikgetriebe (EDC Doppelkupplung)
0-100 km/h: 9,6 Sekunden
V-Max: 193 km/h

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert, l/100 km: 6,3 – 6,2
Gas-Junky-Test – Durchschnitt l/100 km: 6,9
CO2 Emissionen: 141g /km Euro 6d-Temp

Bremsen/Felgen/Reifen

Bremsen: VA: Scheibe (belüftet), HA: Trommel
Felgen/Reifen: 215/60 R17

Gewicht und Maße

Leergewicht: 1.426 kg
L/B/H: 4,227 / 1,797 / 1,576 m
Radstand: 2,639 m
Kofferraumvolumen: 422/536 – 1.334 Liter
Tankinhalt: 48 Liter
Kraftstoff: Benzin

Preise

Renault Captur TCe 100 LIFE zu haben ab: € 18.540,-
Renault Captur TCe 130 EDC PF INTENS: € 26.590,-
Preis Testfahrzeug inkl. NoVA und MWSt: € 31.215,-

Sonderausstattung:

Multimediasystem EASY-LINK 9,3″* inkl. Haifischantenne € 312,50

Mittelkonsole schwebend € 150,-

Multi-Sense-Paket: Personalisierbares Licht-Ambiente, elektrische Feststellbremse mit Auto-Hold Funktion € 500,-

Easy-Driving-Paket: Adaptiver Tempomat, Fahr- und Stauassistent, toter Winkel-Assistent € 687,50
Easy-Parking-Paket PLUS: Einparkhilfe vorne, 360° Kamera, Handsfree einparken, Querverkehrswarner € 1.000,-

Winterpaket: Beheizte Windschutzscheibe, beheiztes Lenkrad € 375,-

Induktionsladegerät für Smartphone € 187,50

Sitzheizung vorne € 250,-

Höhenverstellbarer Beifahrersitz € 312,50
Reserverad € 125,-

Zweifarben Personalisierung Iron-Blau + Black-Pearl (Dach) € 725,-

(c) Bilder: Gas Junky, sp