Praxistest: KIA ProCeed – auch ein schöner Rücken kann entzücken!

Es gibt einige potentielle Autokäufer, die zwar die Praktikabilität eines Kombis schätzen, sich dann aber doch etwas schwer tun mit der oftmals eher kantigen Karosserieform. Shooting Brakes stellen dafür den idealen Kompromiss dar und KIA hat diesen Trend ebenfalls erkannt und seinem Erfolgsmodell Ceed kurzerhand um solch eine Version erweitert – den KIA ProCeed. Aber ist es überhaupt notwendig, dass es zusätzlich zu dem bereits vorhanden Kombimodell KIA Ceed SW nun auch noch eine Shooting Brake Version gibt? Um diese Frage zu beantworten, durften wir den KIA ProCeed in der GT-Line Ausführung ausgiebig testen.

Shooting Brake, was ist das? Ganz einfach – eine Karosserieform, die begeistert.

Um eines vorweg zu nehmen, Shooting Brake Modelle sind keine Erfindung der automobilen Neuzeit! Bereits seit den 60er Jahren gibt es immer wieder Modelle, die dieser speziellen Gestaltung des Fahrzeughecks frönen. Aber warum auch nicht? Denn diese Karosserieform ist einerseits sehr sportlich und adrett, andererseits nicht unpraktisch. Zugegeben, bei einem Kombi fällt das Argument mit dem Ladevolumen zwar weg, dafür sticht die Optik umso mehr ins Auge. Das ist auch beim KIA ProCeed der Fall, weil der erste Gedanke ist bei den meisten (höflich umschrieben):“Was für eine Kehrseite!“ Und genau hier wären wir dann bereits beim Kaufargument schlechthin.
Der zivilere Kombi KIA Ceed SW wirkt neben dem ProCeed geradezu bieder, wobei das natürlich Geschmackssache ist. Die flach abfallende Heckklappe kombiniert mit der schwungvollen Linienführung macht es einem unmöglich, unauffällig durch bewohntes Gebiet zu cruisen. Ein weiterer Grund liegt aber wohl auch an der Außenlackierung „Orange Fusion“ des Testwagens. So grell diese Farbe auf den ersten Blick auch wirken mag, dem ProCeed steht sie verdammt gut und wir bekamen fast nur positive Resonanz dazu. Um das sportliche Erscheinungsbild des Koreaners noch zu verstärken, wurden breite Seitenschweller verbaut, die den sportlichen Lademeister zusätzliche Sportlichkeit verleihen. Die 18-Zoll Bereifung rundet die Seitenansicht  des ProCeeds ideal ab. So sehr Heck- und Seitenführung auch verändert wurden, so unverändert ließ man die Frontpartie. Das ist aber eigentlich auch gar nicht nötig, denn die Ceed-Optik entspricht perfekt dem aktuellen Design-Zeitgeist.

Das Interieur schafft den Spagat zwischen moderner Optik und klassischer Bedienung

Wer den Innenraum eines KIAs gewohnt ist, der wird sich auch im ProCeed schnell zurecht finden. Die Anordnung der Knöpfe und Bedienelemente ist logisch aufgebaut und auch das klassische Infotainmentsystem der Koreaner fand hier Einzug. Für ein ultimatives Klangerlebnis sorgen die acht Lautsprecher der JBL Soundanlage, die an dieser Stelle ein besonderes Lob verdient hat. Sehr edel wirken auch die „GT-Line“-Symbole, die beispielsweise auf dem Sportvolant und den Sitzen Platz gefunden haben. Weniger edel ist dafür das kratzempfindliche Hartplastik, welches teilweise eine Aluminiumoptik simulieren möchte. Das soll aber auch der einzige Kritikpunkt sein, denn ansonsten wurde ausreichend Softtouch- und Kunstleder-Materialien im Innenraum verwendet. Lobenswert sind die bequemen und langstreckentauglichen Sitze im ProCeed, in denen man sich auf Anhieb wohl fühlt. Für rückenschonende Fahrten sorgen auch die integrierten Lordosenstützen, welche sich elektrisch in der Höhe verstellen lassen.

Aber auch Fondpassagiere kommen nicht zu kurz, immerhin genießen sie von hinten den Blick aus dem Panorama Glasschiebedach und um im Winter Frostbeulen vorzubeugen, verfügt man sogar in zweiter Reihe über eine Sitzheizung. Bauartbedingt tun sich größere Personen beim Einsteigen und Platz nehmen auf der Rückbank zwar etwas schwerer, unkomfortabel ist es aber erst dann, wenn in beiden Reihen Personen mit einer Körpergröße von rund 1,85 Meter Platz nehmen.

Lademeister trotz abfallender Dachlinie!

Der Kofferraum ist mit 594 Litern ausreichend für den Alltagsgebrauch dimensioniert. Im Bedarfsfall kann man die Rücksitze von hinten aus bequem mittels Hebel zu einer annähernd ebenen Ladefläche umlegen, dann erhöht man das Ladevolumen auf 1.545 Liter. Sehr praktisch ist auch das integrierte Schienensystem, wodurch man beispielsweise Taschen und Körbe schnell fixieren kann, um damit ein Verrutschen der Ladung zu verhindern. Falls man die Hände voll mit dem Wocheneinkauf hat, lässt sich die Heckklappe des ProCeed bequem mittels Fußsensor öffnen – ein sehr nützliches Gimmick im Alltag.
Beim Transport großer und sperriger Güter stößt man unter Umständen bald an die Grenzen des Koreaners, denn die flach abfallende Heckklappe nimmt doch einiges an Platz in der Höhe weg. Zudem symbolisiert die Heckscheibe augrund des Designs ein Mäusekino.
Tja, wer schön sein will muss leiden – zur Not bedarf es einer kleinen Umgewöhnungsphase, nach der man zusätzlich die Außenspiegel verwendet, beziehungsweise erleichtert einem auch die Rückfahrkamera das Leben.

Ein Alltags-Diesel der kaum Wünsche offen lässt

Der getestete CLA-Gegner in der „ProCeed GT-Line“ unterscheidet sich vom großen Bruder „Proceed GT“ insbesondere bei einem Punkt – nämlich beim Antrieb. Während sich die GT-Version über einen Turbo-Benziner mit 204 PS erfreut, müssen wir uns in der GT-Line mit einem 1.6-Liter Dieselmotor mit 136 PS „begnügen“. Zumindest wäre das angesichts des Datenblattes die logische Schlussfolgerung gewesen – doch weit gefehlt!
In kaum einer Situation hatten wir das Gefühl untermotorisiert unterwegs zu sein, selbst mit drei weiteren Passagieren an Bord. Der laufruhige Selbstzünder leistet hervorragende Arbeit und wurde perfekt mit dem 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe (DCT) abgestimmt.
Der „Normal-Modus“ ist ideal für alltägliche Fahrten ausgelegt, dies lässt sich an der etwas trägen Gasannahme und der früh schaltenden Automatik erkennen. Es gibt aber auch einen Sport-Modus, der schlagartig die Gasannahme verbessert und damit auf Wunsch eine dynamischere Fahrweise erlaubt. Generell hat man durch die verbesserte Gasannahme subjektiv das Gefühl, dass sich die Motorleistung des ProCeed schlagartig um 20 PS gesteigert hat. Leider neigt die Automatik manchmal etwas zu ruppigeren Schaltvorgängen und beim Kickdown beschleunigt man gefühlt mit zwei Anläufen.
Auch kamen wir manchmal in die Situation, dass die Automatik bei geringeren Geschwindigkeiten zu früh hochgeschalten hat – insbesondere in Parkhäusern war dies bei steileren Auffahrtsrampen gerne mal der Fall. Die Software des Doppelkupplungsgetriebes würde daher in gewissen Situationen noch etwas Feintuning vertragen, die meiste Zeit arbeitet sie aber sehr zuverlässig und sorgt für flotte Gangwechsel.

Der ProCeed verfügt über kein adaptives Fahrwerk, daher mussten die Ingenieure einen Kompromiss aus Komfort und Fahrdynamik finden. Und diesen haben sie auch auf den Punkt genau getroffen, denn Bodenunebenheiten werden bequem abgefedert, sodass man sich den Besuch beim Chiropraktiker erspart. Dennoch überrascht der ProCeed bei etwas flott gefahrenen Kurven mit einem sehr stabilen Fahrverhalten, erst im Grenzbereich neigt er etwas zum Untersteuern.

Mein FAZIT:

Wer sich für diese Karosserieform entscheidet, der muss nicht zwangsläufig tief in die Tasche greifen, sofern ihm nicht ein Stern aufgeht. Der KIA ProCeed GT-Line ist eine mehr als gelungene optische Konkurrenz und bietet bereits ab Werk fast alle Extras an. Wer den fehlenden Laderaum in der Höhe nicht benötigt, kann problemlos auf die Ceed SW-Variante gerne verzichten – letztendlich bleibt es eine Geschmacks- und Preisfrage.

Was mich begeistert:

  • Die Optik – insbesondere das Heck!
  • Der gut abgestimmte Dieselmotor

Was ich mir noch wünschen würde:

  • Etwas hochwertigeres Plastik im Innenraum mit weniger kratzempfindlichen Klarlackoberflächen
  • Eine bessere Auflösung der Heckkamera
  • Einen direkten Vergleich zum großen Bruder ProCeed GT…

Technische Daten – KIA ProCeed GT-Line 1.6 CRDi SCR ISG DCT7:

Motor / Antrieb

Motor: 4 Zylinder Turbo Dieselmotor
Hubraum / Verdichtung: 1.598 ccm3 / 15,9:1
Leistung  kW /PS: 100 kW / 136 PS bei 4.000 U/min
Drehmoment: 320 Nm bei 2.000 – 2.250 U/min
Antrieb: Frontantrieb
Getriebeart: 7-Gang DCT Doppelkupplungsgetriebe
0-100 km/h: 10,1 Sekunden
V-Max: 200 km/h

Verbrauch / Umwelt

Werksangabe – Stadt/Land/kombiniert, l/100 km: 4,5 / 4,0 / 4,3
Gas-Junky-Test – Durchschnitt l/100 km: 6,3 L
CO2 Emissionen: 111 g/km Euro 6d-TEMP

Fahrwerk / Reifen / Bremsen

Vo. Achse: MacPherson Einzelradaufhängung
Hi. Achse: Einzelradaufhängung mit Mehrlenkerachse
Bremsen: VA: innenbelüftete Scheibenbremsen; HA: Scheibenbremsen
Felgen / Reifen: 225/40 R18

Gewicht und Maße

Leergewicht: 1.496 kg
L/B/H: 4,605 / 1,8 / 1,437 (Meter)
Radstand: 2,650m
Wendekreisradius: 5,3m
Kofferraumvolumen: 594 Liter
Kofferraumvolumen bei umgeklappten Rücksitzen: 1.545 Liter
Tankinhalt:
50 Liter
Kraftstoff:
Diesel

Preise

KIA Proceed zu haben ab: 33.090,- €
Basispreis KIA Proceed GT-Line 1.6 CRDi DCT7:
37.390,- €
Preis Testfahrzeug inkl. NoVA und Mwst: 39.090,- €

Sonderausstattung

Paket GT-Line (Glasschiebedach und elektrische Heckklappe): 1.700,- €

(c) Bilder und Text: Gas Junky, Sebastian Poppe, Andreas König