Praxistest: Kia e-Soul – Irgendwie teuflisch

Kia e-Soul Test

Praxistest: Kia e-Soul – Irgendwie teuflisch

Von außen sieht man es ihm gar nicht an, schon gar nicht, wenn er in so unschuldigem Weiß, bei Kia Snow White Pearl genannt, daherkommt. Vom Feeling her, wenn man drinnen sitzt und ihn bewegt (bzw. besser gesagt von ihm bewegt wird), würden ihm rot oder schwarz besser passen. Wäre der Kia e-Soul ein Song, dann würde Elvis Presleys „Devil in disguise“ den Nagel ziemlich genau auf den Kopf treffen.

So groß kann klein sein

Wirkt er doch von außen sehr brav und ob seiner kantigen Formen fast schon ein wenig bieder. Diese bieten aber den Vorteil, dass der Innenraum in seiner vollen Größe perfekt ausgenutzt wird. So finden zwei Erwachsene nicht nur vorne mehr als ausreichend Platz, sondern auch noch drei auf der Rücksitzbank. Da muss man sich zwar schon ein wenig zusammenkuscheln (in Corona-Zeiten bei Fahrgemeinschaften wohl eher nicht zu empfehlen), aber laut Herstellerangaben finden im Kia e-Soul insgesamt fünf Personen Platz. Einzig die Oberschenkelauflage auf der Rückbank ist etwas kurz. Dafür werden auch die äußeren beiden Sitzplätze im Fond dank einer Sitzheizung bei Bedarf gewärmt. Die Ledersitze selbst sind fest gepolstert und in unserem Fall – dank der Top-Ausstattung Platin – auch beheiz- bzw. belüftbar. Aufgrund der aktuell herrschenden Außentemperaturen haben wir uns für die Sitzheizung entschieden. Und da merkt man auch ganz schnell, dass die von Kia im Prospekt angegebene Info zur Reichweite auf jeden Fall ihre Berechtigung hat: „Der tatsächliche Stromverbrauch und die tatsächliche Reichweite können je nach Fahrstil, Einsatzbedingungen, Beladungszustand, etc. von den […] ermittelten Werten abweichen.“ Den Beladungszustand wird man aufgrund des eher kleinen Kofferraums (leider mit relativ hoher Ladekante) meist gering halten (müssen). Die Reichweite sinkt im Winter recht schnell, da wir nicht darauf verzichten wollen, es angenehm warm zu haben. Wer dazu seine Ohren noch mit dem Sound aus der Harman Kardon-Anlage verwöhnen will und (eher Elektrofahrer-untypisch) den höheren Geschwindigkeiten verfallen ist, wird sich bald wieder an einer der Ladestationen einfinden, sofern diese nicht gerade besetzt ist.

Bei 0 Grad ca. 390 km Reichweite

Die Testversion mit 204 PS (150 kW)  (e-Soul Long Range) wurde uns gemeinsam mit einer Smartrics-Ladekarte übergeben. (Es gibt den Stromer auch mit 136 PS/100 kW.) Das Netz ist vor allem im Osten Österreichs und entlang der Hauptverkehrsrouten sowie im urbanen Bereich gut ausgebaut. Praktisch ist auch, dass viele der Ladestationen auf Supermarkt-Parkplätzen auf ihre Stromer warten. An DC-Anschlüssen dauert der Ladevorgang (bei einer Restkapazität des Akkus von rund 30 %) ca. 1,5 Stunden. Auch hier der Hinweis, dass es aufgrund kühlerer Außentemperaturen schon mal länger dauern kann. Sehr angenehm ist, dass Kia die Ladeöffnung an der Fahrzeugfront platziert hat. Damit trägt man nicht unnötig zu verwirrten Schläuchen bei. Wobei es auch bei fossilen Brennstoffen immer wieder Personen gibt, die Meister dieses Durcheinanders sind. Bei Temperaturen um die 0 Grad kamen wir so (nach einer Voll-Ladung) auf eine prognostizierte Reichweite von 392 km, laut Hersteller – beste Bedingungen vorausgesetzt – wären es 452 km. Geht man mit dem Kia e-Soul an den Start, dann bemerkt man zu aller erst seine Beschleunigung: Er erinnert ein bisschen – und auch das ist E-Fahrzeug-typisch – an die Gummiringerl in der Schule, mit denen die bösen Buben immer auf die braven Mädchen gezielt haben. So schnell kann man gar nicht schauen, und schon ist das Gummiringerl am Ziel: Beim Kia e-Soul braucht es in der Long Range-Version 7,9 Sekunden, bis er vom Stand bei Tempo 100 km/h angekommen ist. Dabei beschleunigt er auch noch sehr gut aus dem mittleren Geschwindigkeitsbereich (z.B. von 70 km/h) oder bei Landstraßengeschwindigkeit. Besonders nett ist das, wenn man gerade jemanden überholt und diese Person meint, sie müsse nun beschleunigen: Hat sie nicht gerade selbst ein E-Fahrzeug, wird sie dieses Rennen in den meisten Fällen wohl verlieren. Doch Vorsicht: Wer zu schnell unterwegs ist, merkt das auch rasch im Börserl (nicht nur, weil es ein noch zu bezahlendes Foto geben kann, sondern auch deshalb, weil man dann bald wieder gezwungen ist, eine Ladestation aufzusuchen).

Es zahlt sich aus, e-freundlich zu fahren

Scheinbar ist es aufgrund des Drehmoments des E-Motors generell sinnvoll, sich eine angepasst(er)e Fahrweise anzueignen. Mehr Druck aufs „Gaspedal“ bedeutet – egal ob Verbrennungsmotor oder nicht – mehr Verbrauch. Hier merkt man es aber auch daran, dass einfach zu schnell zu viel Kraft zur Verfügung stehen kann: So kann es schon mal vorkommen, dass die Räder beim Wegfahren von der Kreuzung zum Durchdrehen neigen (z.B. bei Nässe oder Schnee). Man sollte also stets behutsam unterwegs sein (was einem ob der Fahreigenschaften zugegeben relativ schwer fällt) und sich auch auf die Rekuperations-Paddels zum „Bremsen“ einlassen. Nicht nur deshalb, um die Bremsenergie so zurückfließen zu lassen, sondern auch deshalb, weil sie wirklich gut funktionieren und sie durch mehrmaligen Druck auch sehr gut zu dosieren sind. Achtgeben sollte man nur darauf, dass sie nicht funktionieren, wenn man mit dem Tempomat unterwegs ist. (Dazu gibt es eine Hinweismeldung im Armaturenbrett.) Selbst dann, wenn man sich zu spät daran erinnert, sind die „normalen“ Bremsen immer noch so gut abgestimmt, dass man alles rechtzeitig „dabremst“.

Unterstützung serienmäßig

Kia hat in Sachen Assistenzsystemen übrigens wieder mal gute Arbeit geleistet: Der adaptive Tempomat hält brav den zuvor ausgewählten Abstand zum Vordermann ein (bremst sehr sanft und kaum merklich an diesen heran) und macht in diesem Modus auch Lenkvorschläge (mittels Spurhalte-Assistent) – ohne der Verwendung des Tempomats kann man diesen auch ausschalten. Die Lenkvorschläge sind leicht am Lenkrad spürbar, auch dann, wenn man es nicht so hält, wie man es in der Fahrschule gelernt hat. Kia hat erkannt, dass Fahrer nicht gerne belehrt werden und verzichtet deshalb auf piepsende Ermahnungen, es gibt lediglich eine Info-Meldung am Armaturenbrett. Für unser Gefühl orientiert sich der e-Soul etwas zu weit nach links: Das kann sich in Tunneln auf der Überholspur oder auf Landstraßen (vor allem mit Gegenverkehr) dann schon etwas zu weit links anfühlen. Da lenkt man dann doch lieber wieder selbst. Die Lenkung ist recht direkt abgestimmt. Der Kia e-Soul wirkt insgesamt sehr ausbalanciert (abgesehen von den schon erwähnten Schnell-Start-Schwierigkeiten auf feuchtem Untergrund), was vor allem aufgrund seiner besonderen Karosserieform überrascht. Hervorheben wollen wir auch die gute Übersichtlichkeit. Das Fahrwerk ist eher komfortabel ausbalanciert.

Komfort ebenso

Für den Komfort im Innenraum sorgt neben einer guten Ergonomie (alles ist dort, wo man es erwarten würde und vom Fahrersitz aus gut erreichbar) auch die individuell einstellbare Ambiente-Beleuchtung in den Türen. Diese zeigt entweder statisch die gewählte Farbe an oder blinkt im Takt der Music als Disco-Light. Die Verarbeitung ist gut gelungen, es wird sogar Klavierlack als Akzentuierung  eingesetzt. Andere Tester meinen, dass dieser schnell verschmiert und zerkratzt: Wir können diesen Eindruck (die nötige Sorgfalt im Umgang mit Geborgtem vorausgesetzt) nicht bestätigen, allerdings hat Kia uns auch mit einem fast jungfräulichen Auto verwöhnt: Unser Testwagen hatte zum Übernahmezeitpunkt noch nicht mal 2.000 km. Diese Jugend war vielleicht auch dafür verantwortlich, dass die Heizung noch recht „neu“ roch. Sie hat uns vom Geruch her ein bisschen an Elektroheizkörper erinnert, die auch einen ganz eigenen Duft verströmen. Zwar wird es recht schnell warm, es ist aber eher schwer, eine konstant angenehme Temperatur zu halten.

Fazit

Der Kia e-Soul verströmt aufgrund seiner Optik einen eigenwilligen Charme und macht für ein so „kantige Gefährt“ ob des E-Motors ziemlich viel Spaß. Von vorne ein bisschen Storm Trooper, von hinten (besonders wenn er in der Nacht unterwegs ist) aufgrund der Anordnung der Heckleuchten einfach teuflisch, sehen sie Hörnern doch zum Verwechseln ähnlich. Alles in allem ein gelungener und relativ günstiger Einstieg in die Welt der E-Mobilität, sofern man mit dem doch recht kleinen Kofferraum das Auslangen findet. Was uns gefällt:
  • mit einer Art „Rennsemmel“ unterwegs gewesen sein zu dürfen
  • der Mut zur eigenwilligen Optik
  • die überraschend guten Fahreigenschaften trotz dieser Karosserieform
Was wir noch verbessern würden:
  • die Heizung
  • die Größe des Kofferraums
  • die Übertragung der Kraft auf die Vorderräder bei Nässe
 

Technische Daten: Kia e-Soul Platin Long Range

Motor/Antrieb Motor: Elektromotor, Batteriekapazität 64 kWh Leistung kW/PS: 150 kW/204 PS Drehmoment: 395 Nm bei 0 – 3.600 U/min. Antrieb: Frontantrieb Getriebeart: Automatikgetriebe (Reduktionsgetriebe) 0-100 km/h: 7,9 Sekunden V-Max: 167 km/h Verbrauch/Umwelt Werksangabe – kombiniert: 15,7 kWh/100 km Gas-Junky-Test – Durchschnitt: 16,8 kWh/100 km Reichweite nach WLTP: 452 km CO2-Emissionen: 0 g Ladedauer (Herstellerangabe) Haushaltssteckdose 230 V, 2,3 kW (Ladezeit bis 100 %): 31 Stunden Wallbox, 7,2 kW (Ladezeit bis 100 %): 9,35 Stunden Gleichstrom-Schnellader, 50 kW (Ladezeit bis 80 %): ca. 75 Minuten Gleichstrom-Schnellader, 100 kW (Ladezeit bis 80 %): ca. 54 Minuten Fahrwerk/Reifen/Bremsen Bremsen: VA + HA: Scheibenbremsen (vorne innenbelüftet) Felgen/Reifen: 215/55 R17 Gewicht und Maße Leergewicht: 1.682 – 1.758 kg L/B/H: 4,195 /1,800/1,605 m Radstand: 2,600 m Kofferraumvolumen: 315 – 1.339 Liter Preise Kia e-Soul Titan (136 PS) zu haben ab: € 34.990,- Kia e-Soul Platin (Long Range) zu haben ab: € 46.890,- Preis Testfahrzeug inkl. NoVA und MWSt: € 47.490,-

Sonderausstattung

Pearl-Lackierung € 600,- (c) Bilder: Gas Junky, sp, fr