Polestar 3 Long Range Dual Motor: Der Performance-Star

Der kürzliche Praxistest mit dem Polestar 4 Long Range Single Motor zeigte, dass die Marke auf zahlreiche Bedienelemente verzichtet und diese in den Touch-Monitor integriert. Der Kampf mit zahlreichen Software-Problemen soll in naher Zukunft mittels Over the air Update behoben werden.
Wir nehmen im Polestar 3 Long Range Dual Motor mit Performance-Paket Platz. Das größte und auch teuerste Polestar-Modell. 517 rein elektrische Pferde und sagenhafte 910 Nm werden an alle vier Räder weitergeleitet. Wie sich der sportliche Vollzeit-Stromer mit rund 2,7 Tonnen im Alltag schlägt?

Interieur: Aufgeräumtes Cockpit, recht ablenkende Bedienung

Im Falle des Testwagens erhielten wir eine Keycard, mit dieser kann das Fahrzeug ausschließlich über die Fahrerseite entriegelt und versperrt werden. Ein bitterer Beigeschmack, wenn man beispielweise die Sporttasche aus dem Kofferraum holt und an der Beifahrerseite steht und das Fahrzeug verriegeln mag. Ebenso muss diese Karte nach dem Einstieg in der Mitte abgelegt werden, denn nur so kann mittels Wahlhebel die gewünschte Fahrstufe eingelegt werden.
Es gibt natürlich auch die Möglichkeit auf einen Key Fob oder einen Digital Key – diese beiden Möglichkeiten erlauben den Vorgang von jeder Seite und auch der Start gelingt kontaktlos.
Dass die Außenspiegel und das Lenkrad ausschließlich über ein Untermenü im Touch-Display gelingt bekritteln wir auch beim Polestar 3. Auch das Handschuhfach kann nur mittels Touch-Befehl geöffnet werden während man die Motorhaube manuell entriegelt. Die Anordnung der zahlreichen Funktionen erscheint uns leider auch im Polestar 3 zu wenig strukturiert. Die Bedienung gelingt ausschließlich über Touch und damit ist man während der Fahrt meist abgelenkt, sodass der Aufmerksamkeitswarner alarmiert.
Die Dämmung des Innenraums könnte besser sein, denn wir reden hier von einem Fahrzeug das rund 100.000 Euro kostet und trotzdem gelangen hier recht laute Wind- und Fahrgeräusche bei Autobahn-Etappen in das Interieur.
Das mag man gerne mit der Bowers & Wilkins Soundanlage beseitigen, denn diesen Klang bekommt man nicht jeden Tag spendiert.
Dass man auch über Kopf- und Beinfreiheit nicht jammern darf, sollte klar sein. Immerhin sprechen wir hier von einem 4,90 Meter SUV, welches knapp drei Meter Radstand bietet und somit auch Großgewachsene mit fürstlichen Raumverhältnissen überrascht. Mit 484 bis 1.411 Liter fällt das Ladeabteil zwar etwas kleiner als beim Polestar 4 aus, reicht jedoch auch für Urlaubsfahrten. Dass es sich bei den Materialien um recycelte Stoffe handelt, fällt weniger ins Gewicht, denn die Haptik geht ganz klar in Ordnung.

Fahrverhalten und Lademanagement: Performance der Sonderklasse, aber schwache Ladeleistung

In der getesteten Topversion sprechen wir von wie bereits erwähnt 517 PS und 910 Nm, diese enormen Kräfte werden an alle vier Räder losgelassen. Der Sprint auf Tempo einhundert gelingt in 4,7 Sekunden – hier sollte man die knapp 2,7 Tonnen nicht aus dem Auge lassen. Dennoch fühlt sich der Sprint deutlich flotter an.
Dass sich der Polestar 3 Long Range Dual Motor mit Performance Paket 28 kWh pro 100 Kilometer bei normaler Fahrweise bei winterlichen Temperaturen genehmigt ist durchaus in Ordnung. Da hatten wir bereits deutlich leichtere Performance-Stromer im Test, welche bei wärmeren Temperaturen denselben bzw. einen höheren Verbrauch anzeigten. Deutlich mehr stört uns, dass das Topmodell der Marke den Akku ausschließlich mittels Navigationsbefehl vortemperiert und die Ladleistung maximal 90 kW in der Praxis betrug.
Der Hersteller spricht von rund 250 kW maximaler Ladeleistung. Demnach dauert der Ladevorgang rund 50-60 Minuten von 10-80 Prozent. In dieser Zeit haben wir beispielweise den IONIQ 5 N-Line bis 100 Prozent geladen.
Ebenso schade und zugleich nicht gerade ungefährlich finden wir die Meldung der niedrigen Scheibenflüssigkeit – diese erscheint leider zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt ist schon keine Flüssigkeit mehr im Behälter und die Sicht ist naja, sagen wir mal sehr begrenzt.

Deutlich besser gefällt uns die durchaus sportliche Abstimmung. Mittels der Luftfederung kann das Fahrwerk stufenweise verstellt werden, womit zwischen Komfort und Performance alles möglich ist. Auch die Lenkung kann mittels Touch-Befehl präziser und straffer gestellt werden.
Es ist recht beachtlich welche Performance die Ingenieure dem knapp 2,7 Tonnen SUV spediert haben. Lediglich eine Hinterradlenkung wäre bei dieser Länge recht lobenswert. Nicht nur bei der Beschleunigung glänzt das neue Polestar-Modell auch in der Entschleunigung kann mittels Rekuperation und der riesigen Brembo-Bremsanlage verzögert werden. Die Dosierung wurde erstklassig abgestimmt, denn bei den meisten Elektrofahrzeugen ist der Übergang zwischen Rekuperation und Tritt auf das Bremspedal unharmonisch.

Unser Fa(hr)zit:

Der Polestar 3 LRDM mit Performance-Paket bietet neben reichlich Kopf- und Beinfreiheit auch jede Menge Laderaum. Die Materialwahl ist stimmig und die optionale Soundanlage ist das absolute Highlight. Bei der Software sollte noch nachgebessert werden, dies betrifft auch die Ladeleistung.
Deutlich besser gefällt uns die Performance, die der knapp 2,7-Tonner in den Asphalt zaubert.

Was uns gefällt:

  • Das optionale Soundsystem
  • Die Materialwahl
  • Die Abstimmung zwischen Komfort und Performance

Was wir noch verbessern würden:

  • Die Preispolitik
  • Die Software inkl. Ladeleistung
  • Die Dämmung des Interieurs
  • Eine Hinterachslenkung

Factbox: Polestar 4 Long Range Single Motor

Motor/Antrieb

Motor/Akku: 2x Permanentmagnetmotor, Batteriekapazität 111 kWh (netto 107 kWh)
Leistung kW/PS: 380 kW/ 517 PS
Drehmoment:  910 Nm
Antrieb: Allrad
Getriebeart: 1-Gang-Automatik
0-100 km/h:  4,7 Sekunden
V-Max:  210 km/h

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert:  22,1-23 kWh/100 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt:  28 kWh/ 100 km
Reichweite nach WLTP:  bis zu 561 km (WLTP)

Ladedauer

Wallbox, 11 kW (Ladezeit 0 bis 100 %): 11 Stunden
Gleichstrom-Schnellader (Ladezeit 10-80%): 30 Minuten
max. Ladeleistung lt. Hersteller: 250 kW

Bremsen/Reifen/Felgen

Bremsen: VA: gelochte und belüftete Scheibenbremsen HA: belüftete Scheibenbremsen
Felgen/Reifen: 265/40 R22 + 295/35 R22

Gewicht und Maße

Leergewicht: 2.670 kg
L/B/H: 4,900 m /1,968 m / 1,614 m
Radstand:  2,985 m
Kofferraumvolumen: 484-1.411 Liter, Frunk 32 Liter

Preise

Polestar 3 zu haben ab: € 79.800
Polestar 3 LRDM Performance-Paket zu haben ab: € 93.400
Preis Testwagen inkl. Steuern: € 104.800

(c) Bilder: Sebastian Poppe