Ford Explorer AWD im Test: Geschwister-Duell

Die strengen EU-Flottengrenzwerte machen auch vor dem Autoriesen Ford nicht halt. Das hat zur Folge, dass Ford seine Fahrzeugpalette Stück für Stück um rein elektrische Modelle erweitern muss. In Europa ist der altbekannte Ford Explorer deshalb leider nicht mehr als Verbrenner erhältlich. Seinen Platz übernimmt ein rein elektrisch angetriebener Explorer, der bis auf den Namen grundsätzlich nicht viele Gemeinsamkeiten mit dem alten Modell teilt. Um zu erfahren wie sich dieser Vollzeit-Stromer im Alltag schlägt, wurde für einen Test das Topmodell in der Ausstattungsvariante „Premium“ zur Verfügung gestellt.

Ford(t) geht es auf die Skipiste

Da es das Wetter gut gemeint hat, wurde der Explorer zum Beginn der Testphase gleich mal für einen Tagesausflug in ein Skigebiet ausgewählt. Die Route führte in das von mir rund 140 Kilometer entfernte niederösterreichische Hochkar. Die erste Etappe auf dem Hinweg ist ein gutes Stück Autobahn und dabei fiel gleich der gut abgestimmte adaptive Tempomat auf, der sich mit frühzeitigen und abrupten Bremsvorgängen zurückhält. Zudem ist das Head-up-Display gestochen scharf und sehr gut lesbar, ohne dabei mit Informationen überladen zu sein. Während ich mich vom Massagesitz verwöhnen lies, kam ich auf dem Liftparkplatz an und begutachtete den durchschnittlichen Verbrauch der ersten Fahrt. Dieser belief sich auf 25 kWh/100 km, was der relativ langen Autobahnfahrt, einer steilen Bergauffahrt und den kühlen Temperaturen geschuldet ist. Dank Rekuperation bei der Talfahrt ließ sich der Verbrauch auf der Rückfahrt auf 20 kWh/100 drücken, was unterm Strich einen respektablen Durchschnittswert ergibt. Lobenswert erwähnen möchte ich an dieser Stelle die ausreichend vorhandenen 11 kW Ladesäulen auf dem Liftparkplatz vor Ort. Wenn man nach einem langen Skitag nach Hause fährt, braucht man sich voll aufgeladen keine Gedanken über einen extra Ladestopp machen. Bei vollem Akku wäre rein rechnerisch für diesen Skiausflug kein Ladestopp nötig gewesen, da die Fahrt aber mit 80 Prozent begonnen wurde, kam mir die Lademöglichkeit vor Ort sehr gelegen.

Aber wie sieht der Verbrauch im täglichen Betrieb aus? Trotz winterlicher Temperaturen um die 0 Grad lässt sich der Explorer im Stop-and-Go Stadtverkehr mir weit weniger als 18 kWh/100 km bewegen. Sobald es wärmer wird, lässt sich dieser Wert bestimmt in Richtung 15 kWh/100 km drücken. Auf Überlandfahrten waren es während des Tests 19-20 kWh/100 km und auf der Autobahn (bei den gesetzlich vorgeschriebenen 130 km/h) 25 kWh/100 km. Angesichts der erwähnten kühlen Temperaturen sind das durchaus akzeptable Werte. Die Maximal-Ladeleistung des Explorers schafft es dank 400 Volt-Technologie bis zu 185 kW des elektrischen Safts zu saugen. Das ist heutzutage zwar keine überragende Leistung, liegt aber in einem soliden Mittelfeld und ist absolut alltagstauglich – auch für längere Fahrten. Denn für eine Ladung von 10-80 Prozent benötigt der Explorer rund 25 Minuten, das sind nur wenige Minuten länger als bei einigen Fahrzeugen mit 800 Volt-Technologie.

Ein Infotainmentsystem mit Überraschungseffekt

Ein großes Lob verdient sich die leicht verständliche Bedienung des Infotainmentsystems, hier kann sich der ein oder andere Hersteller gerne noch was abschauen. Denn beispielsweise die Ladeplanung und die Standheizung lassen sich kinderleicht bedienen und konfigurieren. Apropos Ladeplanung, der Explorer verfügt selbstverständlich über ein Navigationssystem mit integrierter Ladeplanung – heutzutage ein Must-Have für jedes E-Auto! Die Bedienung des Infotainmentsystems erfolgt locker aus dem Handgelenk, wobei mich zu Beginn die Platzierung des Displays gewundert hat. Doch die macht absolut Sinn, denn das Display lässt sich in nahezu jeden gewünschten Neigungsgrad verstellen und wenn man es gerade stellt, kann man das darunter liegende Geheimfach als zusätzliche Smartphone Ablage samt USB-C Lademöglichkeit verwenden.

Die allgemeine Verarbeitungsqualität im Innenraum ist robust, nur hätte bei der Materialauswahl gerne weniger Hartplastik verwendet werden können. Auch etwas mehr Softtouch Oberflächen hätten dem Explorer gut getan.

Was die Familientauglichkeit betrifft, leidet der Explorer etwas durch den recht kurzen Kofferraum, hier hätten ein paar Zentimeter in der Länge nicht geschadet. Dafür lässt sich der Ladeboden herausnehmen, wodurch wertvolle Höhe gewonnen wird und man auch größere Gegenstände oder Kinderwägen verladen kann.

Ist der Explorer der bessere ID.4?

Der Explorer ist keine eigenständige Entwicklung von Ford, sondern bedient sich am Volkswagen MEB-Baukasten, auf den auch der VW ID.4 zurückgreift – sozusagen ein Geschwister-Duell.
Dass der Explorer im Kern doch mehr Volkswagen als Ford ist bedeutet grundsätzlich nichts Schlechtes, nur hätte man die ein oder anderen Eigenheiten von Volkswagen nicht unbedingt übernehmen müssen. Dazu zählen in erster Linie die Lenkradtasten, welche nur mittels Touchpanel bedient werden. Es gibt stellenweise Erhebungen, diese bewahren einem trotzdem nicht davor manchmal unabsichtlich ins Leere zu drücken, oder gar die falsche Taste zu bedienen. Da man dadurch zwangsläufig öfter auf die Tasten schauen muss, stellt das sogar ein Sicherheitsrisiko dar. Auch die zwei eingesparten Fensterheber für hinten, welche mittels eigener Umschalttaste angesteuert werden müssen, könnte man gerne durch vier eigene Tasten ersetzen.

Diese Punkte sind wie erwähnt Volkswagen geschuldet, Ford selbst hebt sich dafür unter anderem mit einem eigenen Design für das Blechkleid und etwas Feintuning in den Fahrwerksabstimmungen ab. Diese beiden Punkte sprechen auch eindeutig für Ford. Was die Fahrwerksabstimmungen betrifft, bleibt es natürlich ebenfalls Geschmackssache. Man muss sich nur bewusst sein, dass sich der ID.4 im Vergleich zum Explorer eine Spur komfortabler fährt.

Top-Modell mit Top-Antrieb

Bei einer Maximalleistung von 340 PS, dem straffen Fahrwerk und einem spurtreuen Allradantrieb kann man mit dem Explorer zwar die Muskeln spielen lassen, sportlich ambitionierte Fahrweisen sollten dennoch vermieden werden. Einerseits liegt das natürlich am recht hohen Fahrzeuggewicht, andererseits entspricht die Bremsanlage nicht ganz dem kräftigen Antrieb. Selbst im alltäglichen Fahrbetrieb könnte diese auf den letzten Metern gerne etwas stärker zupacken. Dank der zusätzlichen Bremsleistung der Rekuperation bemerkt man das die meiste Zeit zwar nicht, sollte man aber versehentlich die Rekuperation mal nicht aktiviert haben, ist der Bremsweg aber gefühlt deutlich länger.

Fazit

Der Ford Explorer ist ein solides Elektro-SUV, welches bei der Ausstattung und den Lade- und Fahrleistungen durchwegs überzeugt. Einige Kleinigkeiten stören etwas im täglichen Betrieb, diese täuschen aber nicht über das durchwegs gelungene Gesamtkonzept des Ford Explorers hinweg.

Was mich begeistert:

• Das intuitiv bedienbare Infotainmentsystem
• Die Neigungsverstellung inklusive Geheimfach
• Die Abstimmung des Antriebs aus Komfort und Sport

Was ich mir noch wünschen würde:
• Haptische Tasten statt dem Lenkrad Touchpanel
• Bremsen mit etwas mehr Biss
• Ein Rollo für das Panorama-Dach

Factbox: Ford Explorer Premium 79 kWh

Motor/Antrieb

Motor: Dual-Extended-Range-Elektromotor
Leistung kW/PS: 250 kW / 340 PS
Drehmoment: 679 Nm
Antrieb: Allrad
Getriebeart: Eingang-Automatikgetriebe
0-100 km/h: 5,3 Sekunden
V-Max: 180 km/h

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert kWh/100 km: 15,7 – 17
Werksangabe – Reichweite: 516 – 566 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt kWh/100 km: 22

Bremsen/Felgen/Reifen

Bremsen: VA: Scheibenbremsen innenbelüftet HA: Trommelbremsen
Felgen/Reifen: 235/50 R20

Gewicht und Maße

Leergewicht: 2.267 kg
L/B/H: 4,468 m / 1,871 m / 1,639 m
Radstand: 2,767 m
Kofferraumvolumen: 536-1.422 Liter
Batterietyp: Lithium-Ionen Batterie
Energiegehalt: 79 kWh
Kraftstoff: Elektro
Ladedauer Wallbox 11kW: 8 Stunden (10-100 %)
Gleichstrom-Schnelllader bis zu 185kW: 25 Minuten (10-80 %)

Preise

Ford Explorer zu haben ab: € 43.890,00
Ford Explorer Premium AWD zu haben ab: € 56.190
Preis Testfahrzeug inkl. MWSt: € 62.390,00

Sonderausstattung

Anhängevorrichtung, elektrisch schwenkbar: € 1.300,00
Befestigungspunkte hinter 1. und 2. Sitzreihe: € 100,00
Wärmepumpe: € 1.300,00
Panoramadach, fix: € 1.200,00
Fahrer Assistenz Paket: € 1.300,00
Blue my Mind Metallic: € 1.000,00

(c) Bilder: Andreas König