Volvo EX30 Testbericht: Weniger ist nicht immer mehr!

Das neue, rein elektrische Kompaktmodell der Schweden hat es uns angetan. Wortwörtlich.
Wir haben natürlich nichts gegen Reduktion der Kosten, wenn darunter nicht der Fahrkomfort bzw. die Sicherheit leiden muss. Aber im Falle des EX30 tritt leider genau dieser Fall ein.

Interieur: Reduktion auf höchstem Niveau sorgt für jede Menge Ärger

Platz genommen wird auf sehr weich gepolsterten Sitzen, die besonders in Reihe eins über zu wenig Beinauflage verfügen. Hinter dem sehr dünn geformten Volant blickt man auf recycelte Materialien, die im gesamten Interieur anzutreffen sind. Wir hätten uns hier eine deutlich weichere Materialwahl aber besser gepolsterte Sitze gewünscht, die wir von den bisherigen Modellen des schwedischen Herstellers gewohnt sind. Außerdem hätte ein Head-up-Display Abhilfe geschaffen (von mir aus auch gerne als Option), denn damit müsste man nicht durchgehend auf die obere, linke Kante des Monitors starren, um das gefahrene Tempo ablesen zu können. Meist meldet sich dann auch der Aufmerksamkeits-Assistent, der beispielweise auch bei Schulterblicken den Piloten ermahnt.
Ebenso nervt es, dass die Scheibenwischer-Funktion auf den Lenkstockhebel des Blinkers gewandert ist.

Die Reduktion geht weiter, denn man verzichtet selbst bei dem Schlüssel auf Tasten, sprich Volvo setzt hier auf Keyless-Entry. Das würde uns auch gar nicht stören, wenn nicht nur die Fahrertür über einen einzigen Sensor verfügen würde. Demnach kann ausschließlich bei dieser das Fahrzeug geöffnet und verriegelt werden.
Auch die Türelemente verfügen über keine verbauten Lautsprecher, denn im Testwagen hat man eine Soundbar von harman kardon auf dem Armaturenbrett verbaut. Aber hier bekommt man zumindest Premium-Sound spendiert.

Viel mehr stört uns, dass man die Fensterheber in der Mitte platziert hat und davon gibt es nur zwei Stück, aber vier Fenster. Somit muss der Rear-Button gedrückt werden, um die hinteren Scheiben zu öffnen – das funktioniert nicht immer problemlos.
Dass es nun nicht mal einen Regler für die Spiegeleinstellung gibt, sondern man diese Einstellung in dem ohnehin verschachtelten Infotainment-Menü suchen muss und dann via Lenkradtasten (nicht gerade sehr feinfühlig zu bedienen) die Einstellung suchen muss, da werden wohl einige Felgen davor den Bordstein küssen. Außerdem ist auch das Handschuhfach (mittig platziert) nur über einen Button in der Infotainment-Zentrale zu öffnen, sprich sollte diese mal ausfallen, gibt es keine Möglichkeit die Ablagemöglichkeit zu entriegeln.

Wie bereits erwähnt ist das gesamte Infotainment-System sehr verschachtelt aufgebaut, womit man selbst als Motorjournalist einige Stunden benötigt, um die einzelnen Menüpunkte als auch Unterpunkte studiert.

Deutlich positiver finden wir die Navigation, welche auch Ladestopps in die Routenplanung integriert und mit guter Software überrascht.
Deutlichen Verbesserungsbedarf verlangt der Tempolimit-Warner, welcher auf Autobahnen bereits bei 120 km/h akustisch warnt und somit durchgehend auf österreichischen Strecken nervt. Teilweise hätte er uns mit dreistelliger Geschwindigkeit durch Ortschaften geschickt….

Mit 318 Liter Fassungsvermögen wird man im Alltag auskommen, die maximal 904 Liter sind in diesem Segment kein Rekordwert, sollten aber für den Kurzurlaub ausreichen. Kopf- und Beinfreiheit in zweiter Reihe ist im Slim fit Format bemessen.

Fahrverhalten und Lademanagement: Sportliche Fahrleistungen, bei hohem Praxisverbrauch und deutlich reduzierter Reichweite

Die 5,3 Sekunden sind schon eine mächtige Ansage für die „schwächere“ der beiden verfügbaren Versionen. Die Kräfte werden in der Testversion ausschließlich an die Hinterachse losgelassen. Es steht auch eine Allradversion zur Verfügung, da sprechen wir von 3,6 Sekunden von 0-100 km/h!!

Aber bleiben wir bei der Testversion als Single Motor Extended Range in der Ausstattungslinie Ultra. Der Testwagen rollt trotz der mächtigen 20-Zoll-Räder recht weich aber teilweise auch holprig ab. Der EX30 sorgt beim Einlenkverhalten für eine fehlende Präzision. Klar kann man die Lenkung straffer stellen, das sorgt aber keinesfalls für ein direkteres Einlenkverhalten.
Das ESP wurde sehr penibel abgestimmt, sodass bei zu großen Gasstößen bereits die Elektronik eingreift und das Fahrzeug keinesfalls zum ungewollten Ausbrechen des Hecks tendiert.

Bei durchaus komfortabler Fahrweise genehmigt sich der EX30 rund 24 kWh im Drittelmix, die bei einem SoC von 10 Prozent für 240 Kilometer sorgen (462 Kilometer sind es laut WLTP). Bei 80 Prozent wären wir rein rechnerisch bei zweistelliger Außentemperatur bei gerade mal 213 Kilometer.
Hier fällt dem Stromer zugute, dass er über eine maximale Ladeleistung von 175 kW verfügt. In der Praxis konnten wir leider kurzzeitig maximal 140 kW erreichen, die Schnellladung von 10-80 Prozent dauerte meist 30-35 Minuten.
In der getesteten Ultra Version kann man AC mit 22 kW laden und auch eine Wärmepumpe wird an winterlichen Tagen für ein Reichweitenplus sorgen.
Dafür blättert man auch knapp 49.000 Euro auf den Tisch, das ist für ein Kompaktmodell mit jeder Menge Reduktion schon eine beachtliche Summe.
Der Einstieg gelingt mit dem kleineren Akku und der Basis-Ausstattungslinie knapp über 35.000 Euro. Doch auf der Langstrecke würden wir unbedingt den größeren Akku empfehlen, womit der EX30 zumindest in der Preispolitik Premium-Charakter ausstrahlt.  

Unser Fa(hr)zit:

Der EX30 sorgt für eine Reduktion auf höchstem Niveau – das wird speziell den Kostenrechnern gefallen, als Pilot hinter dem Steuer bedeutet es ein großes Umdenken, das zu Beginn nicht gerade leicht fällt.
Dass selbst die wichtigsten Bedienfunktionen in das ohnehin sehr verschachtelte Infotainment-System integriert wurden, sorgt im Praxistest für jede Menge Ärger.
Der hohe Praxisverbrauch und die damit deutlich reduzierte Praxisreichweite sorgen für jede Menge Ladepausen.
Premium-Charakter strahlt die harman kardon Soundbar, das stimmige Design als auch der Listenpreis der Testversion aus.

Factbox: Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra

Motor/Antrieb

Motor/Akku: Lithium-Ionen-Polymer, Batteriekapazität 69 kWh (netto 64 kWh)
Leistung kW/PS: 200 kW/ 272 PS
Drehmoment:  343 Nm
Antrieb: Heck
Getriebeart: 1-Gang-Automatik
0-100 km/h:  5,3 Sekunden
V-Max:  180 km/h

Verbrauch/Umwelt

Werksangabe – kombiniert:  16,9-17,5 kWh/100 km
Gas-Junky-Test – Durchschnitt:  24 kWh/ 100 km
Reichweite nach WLTP:  462-476 km

Ladedauer

Wallbox, 11 kW (Ladezeit bis 100 %): 7 Stunden
Gleichstrom-Schnellader (Ladezeit 10-80%, max. 175 kW): 26,5 Minuten

Bremsen/Reifen/Felgen

Bremsen: VA+HA: Scheibenbremsen (innenbelüftet)
Felgen/Reifen: 245/40 R20

Gewicht und Maße

Leergewicht:  1.850 kg
L/B/H: 4,233 m /1,837 m / 1,549 m
Radstand:  2,650 m
Kofferraumvolumen: 318-904 Liter + 7 Liter Frunk

Preise

Volvo EX30 (Core Single Motor) zu haben ab: € 36.950
Volvo EX30 (Ultra, Single Motor Extended Range): € 48.830
Preis Testwagen inkl. Steuern: € 51.230

Sonderausstattung (netto):

Crystal White € 600
20-Zoll-Felgen Sport Design € 725
Seiten- und Heckfenster abgedunkelt (ab B-Säule) € 325
Sitzheizung vorn und Lenkradheizung € 350

(c) Bilder: Sebastian Poppe