Praxistest: Mitsubishi L200 – Alte Schule, mit neuem Style

Ähnlich wie bei den SUVs, welche bei den Herstellern ganz hoch im Kurs liegen, ist es scheinbar nun auch für die meisten Markenvertreter unabdingbar geworden, einen Pick Up in ihre Modellpalette aufzunehmen. Wobei die Definition eines Pick Ups wohl jeder ein wenig anders auffasst. Ähnlich wie bei vielen SUV-Modellen, welche ja grundsätzlich keine waschechten Offroader sind und das einzig wahre „Gelände“ für diese Fahrzeuge, wohl die Randsteine der Stadt sind. So sind viele Pick Ups heutzutage auch nur mehr eine Art „weichgespülte“ Alternative im Vergleich zu den einstigen Modellen, welche früher hauptsächlich von den japanischen Herstellern produziert wurden. Man könnte also den größten Teil der heutigen Pick Ups wie folgt definieren: Ein SUV mit Ladefläche.

Doch es gibt einen Hersteller, der sich mit solch einer Definition wohl nicht zufrieden gibt – nämlich Mitsubishi.

Seit 1978 haben die Japaner einen Pick Up im Programm, bei uns unter dem Synonym L200 bekannt. Und wer schon einmal einen Mitsubishi sein Eigen nennen durfte, der weiß, dass man vor allem auf Robustheit und Zuverlässigkeit den Focus setzt. Ebenso legte man stets Wert auf ein ausgeklügeltes Allradsystem, welches keine Wünsche offen lässt. Und in puncto Allradsysteme kann man den Japanern nicht so schnell etwas vormachen. Mehrere Weltmeistertitel in der WRC und ganze zwölf Siege bei der Rallye Dakar zeigen, dass man sich in Bezug auf vier angetriebene Räder auskennt.

Hässliches Entlein war gestern…

Gott sei Dank hat das aktuelle Modell optisch nichts mehr mit seinen Vorgängern gemeinsam. Waren diese – was die Optik angeht – nicht wirklich Schönheiten unter den Lademeistern. Das hat sich mit der aktuellen Generation vollends geändert. Vor uns steht ein ansehnlicher, ja sogar dynamisch wirkender Japaner. In der „Instyle Black Line“ Edition wirkt er gar wie ein kleines Designerstück.
Fast zu schade, um damit durch Schlamm, Staub und tiefe Pfützen zu pflügen.

Ist der neue L200 nun auch eher ein Lifestyle-Pick Up oder doch noch ein echter Offroader?

Wir werden sehen…

Die Front wirkt sportlich elegant – mit LED Tagfahrlicht und Xenonscheinwerfern ist man „up to date“.
Sehr gefällig ist die schwarz gestaltete Frontmaske mit den runden Nebelscheinwerfern, die in schwarz gehaltenen Seitenspiegel, sowie die schwarzen Kotflügelverbreiterungen.
Der neue L200 macht definitiv auch optisch eine verdammt gute Figur. Damit kann man sich nun auch mit bestem Gewissen bei der Sonntagsmesse oder Tante Friedas Geburtstag sehen lassen.

Cockpit-Schmaus oder Cockpit-Graus?

Die Türen werden mittels Key-Less-System per Knopfdruck geöffnet und geben den Blick auf die Ledersitze und das Interieur frei.
Bei flüchtiger Beurteilung wirkt das Cockpit wie aus einem Guss – ein kurzer Rundumblick genügt auch schon, um sich eine Übersicht der einzelnen Funktionen zu verschaffen. Hier braucht es kein Studium des Handbuchs, alles ist auf den ersten Blick logisch und verständlich. Genauso wünschen wir uns das!
Das Infotainmentsystem wird mittels Touchscreen bedient und bedarf ebenfalls keiner langen Eingewöhnungsphase. Nur das immer wiederkehrende Bestätigen der Sicherheitsbestimmungen nach jedem neuerlichen Startvorgang, nervt ein wenig.  

Das Volant wirkt hochwertig und liegt gut in der Hand – was bei einem Pick Up nicht uninteressant ist, da man voraussichtlich doch in den Genuss kommt, sich an diesem gut festhalten zu müssen. Auch die Armaturen sind gut abzulesen und wirken, Carbonoptik sei Dank, recht pfiffig.
Ins Auge stechen vor allem die großen Schaltwippen, welche in Verbindung mit der 5-Gang-Automatik serienmäßig an Bord sind.

Einen Wermutstropfen gibt es aber dennoch!
Grundsätzlich wirkt das Cockpit modern und stylisch, obwohl es in Bezug auf die Materialauswahl doch noch ein wenig wertiger ausfallen dürfte – vor allem, wenn man mit der Konkurrenz mithalten möchte. Allerdings muss man wiederum so fair sein und anmerken, dass dies noch nie die Stärke des Mitsubishis war – diese liegen, mit großer Bestimmtheit, ganz wo anders.
Das Ledergestühl ist überraschend bequem – fast ein wenig zu bequem – perfekt, wenn man auf der Autobahn dahingleitet. Jedoch weniger so prickelnd, wenn man durch sehr unbefestigtes Gelände pflügt. Hier wünscht man sich dann ein wenig mehr Seitenhalt. Gott sei Dank gibt’s das griffige Lenkrad und wem das nicht reicht, der kann sich immer noch an der A-Säule und zusätzlichen Griffen am Himmel des L200 festklammern.

Auch auf der Rückbank des „Doppelkabiners“ fällt das Platzangebot deutlich besser, als bei den Vorgängermodellen aus.
Die Ladefläche fasst bei geschlossener Rückwand 1,52 m lange und 1,47 m breite Güter – das maximal zulässige Ladegewicht sind stolze 960 Kilogramm. Bis zu drei Tonnen, darf eine gebremste Anhängelast wiegen, wenn man den Japaner als Zugmaschine verwendet.

Ein Softroader oder doch ein waschechter Offroader?

Um die Frage gleich mal vorweg zu beantworten – das Zauberwort im L200 heißt Super Select 4WD und macht den Japaner, wie es einst auch immer schon war, zu dem, wofür ihn seine Fans bis heute lieben. Einem durch und durch echten Geländefreak. Einer von wenigen, die der SUV-Hype nicht wegrationalisiert hat.

Gestartet wird der japanische Lastenesel an der linken Seite per Knopfdruck. Anfangs im kalten Zustand ist der 2.4-Liter Alu-Selbstzünder etwas laut und ruppig, entpuppt sich jedoch, einmal auf Betriebstemperatur gebracht, als recht kultiviert.
Dank guter Dämmung der Fahrgastzelle fallen auch Wind- und Abrollgeräusche kaum störend aus.
Diese gute Dämmung bewirkt, dass man die 100km/h gar nicht mitbekommt, sofern man nicht einen Blick auf den Tacho wirft.  

Das Testfahrzeug hatte die stärkste Motorvariante unter dem Blechkleid eingepflanzt, mit 181 PS und satten 430 Newtonmeter Drehmoment, welche nach 2.500 U/min anliegen. Die schwächere Variante gibt es mit identem Aggregat, dieses leistet 27 Pferde weniger. Der bärenstarke Motor hat mit dem L200 keine großen Mühen und auch die gut abgestimmte 5-Gang-Automatik bringt die Kraftentfaltung makellos und zügig an die Räder. Selbst bei Landstraßentempo und einem beherztem Kickdown, schiebt der Turbodiesel nochmals kräftig nach vorne. So sind selbst Autobahnfahrten und längere Strecken gut zu meistern. Auch der Verbrauch hat uns überrascht, so ist die Werksangabe mit 7,5 Litern durchaus im Bereich des Möglichen, auch wenn unser Bestwert mit 8,2 Litern nicht ganz an den des Herstellers herankam.

Trotz seiner Größe, lässt sich der L200 – ja man könnte sogar sagen leichtfüßig, bewegen. Wir kurvten auch eine Runde um den Wiener Ring im ersten Bezirk und begaben uns sogar auf Parkplatzsuche. Alles kein Problem, die leichtgängige Servolenkung, die hochauflösende Rückfahrkamera und der Wendekreis von nur 11,8 Metern sorgen dafür, dass auch ein Städtetrip nicht zum Horror wird.

Obwohl sich der L200 auch auf den Landstraßen ganz wohl fühlt, so will er doch runter vom Asphalt, Abenteuer erleben und unbefestigte, neue Wege erkunden. Je nach Bodenbeschaffenheit, kann hierfür mittels einem Drehregler nach der Schaltkulisse, der geeigneten Antrieb gewählt werden – und dies sogar während einer Geschwindigkeit von bis zu einhundert Kilometer pro Stunde.

2H – als reiner Heckantrieb, ausreichend für den Alltag und die Spritztour zum Supermarkt.

4H – wenn es dann doch schon ein wenig mehr sein darf oder eben auch, um die Sicherheit bei winterlichen Fahrverhältnissen zu erhöhen.

4HLC – hier wird das Mitteldifferential gesperrt, die Getriebeübersetzung bleibt allerdings gleich, gut um Flüsse zu durchqueren und eventuell unbefestigte Almwege „hinaufzuklettern“. (Nützt jedoch nichts, gegen freilaufende, verärgerte Kühe).

Und will man sich zu guter Letzt durch tiefen Wüstensand graben, so gibt es auch noch die Möglichkeit für einen 4LLC-Modus. Dieser sperrt das Mitteldifferential, bei gleichzeitig kürzerer Übersetzung. Auch geeignet um auch mal eine Schipiste hinunterzufahren, da durch die kürzere Übersetzung, die Motorbremswirkung in jedem Gang verdoppelt wird.

Wem das alles noch nicht reicht, der hat auch noch die Möglichkeit, per Knopfdruck, das Hinterachsdifferential zu sperren (100%).

Natürlich haben wir es uns es nicht nehmen lassen, die Offroad-Qualitäten einem kleinen Intensivtest zu unterziehen. Abgesehen vom unbezahlbaren Abenteuerfaktor, gab es für den neuen L200 nichts, womit der Japaner auch nur annähernd Mühe gehabt hätte. Dabei haben wir uns wirklich bemüht – doch so schlammig oder tief kann eine Wasserpfütze wohl nicht sein, so steil kein Hügel, so unbefestigt kein Weg – als nächste Instanz bliebe uns nur noch die Bergsteigerausrüstung oder der Taucheranzug…

Mein Fazit:
Der L200 würde von uns tatsächlich das Offroad „approved“-Siegel spendiert bekommen, denn kaum eine Herausforderung ist für den Hecklader nicht zu bewältigen. Im Alltag macht er eine gute Figur mit dem drehmomentstarken Diesel und einem äußerst akzeptablen Langstreckenkomfort!

Was mich begeistert:
Kräftiger, drehmomentstarker Motor
Noch ein ECHTER Offroader
Bewährte, solide Technik

Was ich mir noch wünschen würde:
Mehr Seitenhalt an den Sitzen
Bessere Materialauswahl im Innenraum
Mehr unbefestigte Straße

Technische Daten – Mitsubishi L200 DI-D 2.4HP „Instyle Black Line“:

Motor / Antrieb

Motor: 4 Zylinder Common-Rail-Direkteinspritzung, MIVEC (variable Ventilsteuerung)
Hubraum / Verdichtung: 2.442 ccm3 / 15,5:1
Leistung  kW /PS (Gesamt): 133 kW / 181 PS bei 3.500 U/min
Drehmoment: 430 Nm bei 2.500 U/min
Antrieb: Heckantrieb oder Allrad (Super Select 4WD)
Getriebeart: elektronisch gesteuerte 5-Gang Automatik mit hydraulischen Drehmomentwandler
0-100 km/h: 11,8 Sekunden
V-Max: 177 km/h

Verbrauch / Umwelt

Werksangabe – kombiniert, l/100 km: 7,5
Gas-Junky-Test – Durchschnitt l/100 km: 8,2
CO2 Emissionen: 196 g/km, Euro 6

Fahrwerk / Reifen / Bremsen

Vo. Achse: Einzelradaufhängung mit Dreieckslenkern und Schraubfeder
Hi. Achse: Starrachse mit Blattfedern
Bremsen:
VA:
16” innenbelüftete Scheibenbremsen
HA: Trommelbremse
Felgen / Reifen: 245/65 R17 111S, 7,5×17, ET3

Gewicht und Maße

Leergewicht: 1.875kg
L/B/H: 5.285 / 1.815 / 1.775 (Meter)
Radstand: 3 m
Wendekreis: 11,8 m
Laderaumlänge/ -breite/ -höhe (Ladekante): 1.520 / 1.470 / 475
Tankinhalt:
75 Liter
Kraftstoff:
Diesel

Preise

Mitsubishi L200 zu haben ab: 27.150 €
Basispreis Mitsubishi L200 Instyle Blackline:
39.850,- €
Preis Testfahrzeug inkl. NoVA und Mwst: 40.570,- €

Sonderausstattung:

Metalliclackierung: 720,- €

(c) Bilder und Text Gas Junky, pm & sp

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